Doktor Faust oder Gott, Mensch und Teufel

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Doktor Faust oder Gott, Mensch und Teufel war ein Marionettentheaterstück, das Heinrich Lißner in Ernstthal aufgeführt und das der junge Karl May gesehen hat. Der Text dieser Aufführung ist nicht überliefert.

Inhalt[Bearbeiten]

Die Faust-Legende selbst stammt aus dem 15. Jahrhundert und genoss schnell große Popularität. Es entstand das Volksbuch, und der Dramatiker Christopher Marlowe schuf in England daraus ein Bühnenstück. Marlowes Drama wurde wiederum um 1600 von englischen Schauspielergruppen nach Deutschland gebracht und von deutschen Wanderbühnen übernommen. In abgewandelter Form wurde später das Puppenspiel daraus, das zum Repertoire eines jeden Marionettentheaters gehörte. Oftmals wurde es auf komische Elemente reduziert: Die später eingefügte Figur des Hanswurst übernahm in der Entwicklung des Puppenspiels bald eine tragende und teilweise moralisierende Rolle.

Das Puppenspiel sah auch der Knabe Goethe, der später in "Dichtung und Wahrheit" schreibt: "Die bedeutende Puppenspielfabel klang und summte gar vieltönig in mir wieder." (Bei der Schaffung seines "Faust" griff Goethe hauptsächlich auf das Volksbuch von 1587 und das Puppenspiel zurück. Die Marlowesche Dichtung beeinflusste ihn wohl nur noch gering.)

Karl May in Mein Leben und Streben:

Ich gab keine Ruhe, bis wir die Erlaubnis erhielten, nochmals zu gehen. Es wurde gespielt "Doktor Faust oder Gott, Mensch und Teufel." Es wäre ein resultatloses Beginnen, den Eindruck, den dieses Stück auf mich machte, in Worte fassen zu wollen. Das war nicht der Göthesche Faust, sondern der Faust des uralten Volksstückes, nicht ein Drama, in dem die ganze Philosophie eines großen Dichters aufgestapelt wurde und auch noch etwas mehr, sondern das war ein direkt aus der tiefsten Tiefe der Volksseele heraus zum Himmel klingender Schrei um Erlösung aus der Qual und Angst des Erdenlebens. Ich hörte, ich fühlte diesen Schrei, und ich schrie ihn mit, obgleich ich nur ein armer, unwissender Knabe war, damals wohl kaum neun Jahre alt. Der Göthesche Faust hätte mir, dem Kinde, gar nichts sagen können; er sagt mir, aufrichtig gestanden, selbst heut noch nicht, was er der Menschheit wahrscheinlich hat sagen wollen und sollen; aber diese Puppen sprachen laut, fast überlaut, und was sie sagten, das war groß, unendlich groß, weil es so einfach, so unendlich einfach war: Ein Teufel, der nur dann zu Gott zurückkehren darf, wenn er den Menschen mit sich bringt! Und die Fäden, diese Fäden; die alle nach oben gehen, mitten in den Himmel hinein! Und alles, alles, was sich da unten bewegt, das hängt am Kreuz, am Schmerz, an der Qual, am Erdenleid. Was nicht an diesem Kreuze hängt, ist überflüssig, ist bewegungslos, ist für den Himmel tot! Freilich kamen mir diese letzteren Gedanken damals noch nicht, noch lange nicht; aber Großmutter sprach sich in dieser Weise, wenn auch nicht so deutlich, aus, und was ich nicht direkt vor Augen sah, das begann ich doch zu ahnen. [...] Als ich den Herrn Kantor fragte, wer dieses Theaterstück ausgesonnen und niedergeschrieben habe, antwortete er, das sei kein einzelner Mensch, sondern die Seele der ganzen Menschheit gewesen, und ein großer, berühmter deutscher Dichter, Wolfgang Goethe geheißen, habe daraus ein herrliches Kunstwerk gemacht, welches nicht für Puppen, sondern für lebende Menschen geschrieben sei. [...] Gott, Mensch und Teufel sind meine Lieblingsthemata gewesen und geblieben, und der Gedanke, daß die meisten Menschen nur Puppen seien, die sich nicht von selbst bewegen, sondern bewegt werden, steht bei allem, was ich tue, im nahen Hintergrunde. Ob Gott, ob der Teufel oder ob ein Mensch, ein Fürst des Geistes oder ein Fürst der Waffen, das Kreuz, von dem die Fäden herunterhängen, in den Händen hält, um das Volk der Menschen zu beeinflussen, das ist niemals sofort, sondern immer nur erst später an den Folgen zu ersehen.[1]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Mein Leben und Streben, S. 56 ff.

Weblinks[Bearbeiten]