Herr Meier in Berlin

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Herr Meier in Berlin ist eine Anekdote aus der Rubrik Allerlei der von Karl May redaktionell betreuten Zeitschrift Schacht und Hütte. Sie wurde in Heft 36 abgedruckt.

Text[Bearbeiten]

Herr Meier in Berlin hatte Allerhand angefangen. Er hatte eine Modehandlung, ein Commissionsgeschäft, einen Cigarrenladen, eine bayrische Bierstube gehabt, Nichts wollte anschlagen.

Er verkaufte die Reste seiner Habe, ging nach Amsterdam,ließ sich anwerben für die Colonien in Westindien und wurde Lieutenant.

Solche Engagements haben den Vortheil, daß wenn Jemand glücklich aus dem ungesunden Klima nach sieben Jahren zurückkehrt, er die Pension für einen höheren Grad erhält.

Herr Meier hatte schon einige Jahre trotz aller Fieber und der einförmigen, höchst ennuyanten Lebensweise, die ein Lieutenant auf einem einsam gelegenen Fort führen kann, glücklich überwunden. Seine größte Speculation war ein Avancement.

Aber dazu bot sich wenig oder gar keine Gelegenheit.

Endlich will das gütige Schicksal, welches stets mit besonderer Vorliebe über Lieutenants wacht, daß ein Streifzug in die Urwälder gegen die Eingeborenen unternommen wird. Die Gefährlichkeit einer solchen Expedition hat die Humanität der holländischen Regierung bewogen, dazu Freiwillige zu verwenden.

Herr Lieutenant Meier dachte: "Nun friß Vogel oder stirb," meldete sich als Freiwilliger und wurde zum Chef der Expedition bestimmt. Alle Vorbereitungen zu diesem Streifzuge wurden getroffen, alle Arten von Munition beschafft und ein Dolmetscher, ein Malaie, dem Zuge beigegeben.

Die Expedition marschirt in die Urwälder, wochenlang mit den größten Unannehmlichkeiten, Strapazen und Hindernissen kämpfend.

Kein Eingeborener läßt sich sehen. Endlich eines Morgens hört man ein Pfeifen, ein Schreien aus vielen hundert Kehlen ganz in der Nähe.

"Jetzt, Kameraden," ruft Lieutenant Meier, "hört Ihr das Kriegsgeschrei? Jetzt habt Acht! Es geht zum Kampf!"

Der Malaie, der Dolmetscher sagt:

"Das ist kein Kriegsgeschrei! Sie wollen parlamentiren!"

Die Eingeborenen auf Java haben in ihren Bewegungen etwas Großartiges, Antikes. Da s Schwingen der Keule verleiht ihren Gesten einen imposanten Reiz!

Es tritt ein sechs Fuß hoher, aufs Schönste tätowirter Wilder hervor, einen großen Federbusch auf seinem Kopfe, dicke Ringe in der Unterlippe und in der Nase, ein Tomahawk, einige Scalps an seinem Gürtel als Zierde, Mo cassins an seinen Füßen, kurz, ein Häuptling mit allen dazu gehörigen Ingredienzien.

Unter dem Schwingen seiner ungeheuren Keule ruft er dem Lieutenant Meier zu:

"For die Schock Schwerenoth! Herr Meier, wo führt denn Sie der Deibel hierher? Kennen Sie mir denn nich mehr? Ich bin ja Schulze, Ihr Stiebelputzer aus Berlin. Verrathen Sie mir man um Jotteswillen bei de preußische Regierung nich! Mich geht es hier sehre jut! Ich bin Heiptling bei de Menschenfressers!"

Herkunft[Bearbeiten]

Die Anekdote stammt nicht von Karl May. Es ist eine Übernahme aus Nr. 343 der Fliegende[n] Blätter, in der sie 1852 unter dem Titel Ein Wiedersehen auf Java abgedruckt wurde.