Zuchthaus Waldheim

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Im Hof des Zuchthauses Waldheim

Die Justizvollzugsanstalt Waldheim in Waldheim war einst das größte Zuchthaus Sachsens und eines der ältesten in Europa.

Zuchthaus Waldheim[Bearbeiten]

Die Einrichtung wurde 1716 unter August dem Starken eröffnet. Für die Finanzierung des Zucht-, Armen- und Waisenhauses zu Waldheim wurde seit dem 23. Juni 1710 von allen neu angestellten Staatsdienern Kursachsens ein Zwölftel der Besoldung des ersten Jahres einbehalten.

Nach der Niederschlagung der Märzrevolution von 1848/1849 wurden mehrere sächsische Aufständige zu langjährigen Zuchthausstrafen in Waldheim verurteilt. Der Schriftsteller und demokratische Aufständler August Peters verbüßte seine Strafe von 1853 bis zu seiner Begnadigung 1856.

»Die Pforte dieses traurigen Orts öffnete sich mir nach vorausgegangener Legitimirung und ich stand in einem durch zwiefache Eisengitter gegen den Eingang zu abgesperrten Hofraum, der sich in beträchtlicher Ausdehnung rechts bis an die alterthümliche Gefängnißkirche, links bis an die Wirthschafts-Baulichkeiten, die Küche, Waschräume etc. ausdehnte und dessen in ungleichen Abständen vorspringenden Hintergrund das Zuchthaus selbst bildete. Eine mächtige alte Linde«103 - die übrigens schon Röckel erwähnt104 - »gab dem der Kirche zunächst liegenden Theil des Hofes ein leidlich gartenartiges Aussehen . . . Dem weiter links gelegenen, ausgedehnteren Theile des Hofs mag in guter Jahreszeit ein jetzt freilich grasloser Rasenplatz zur Zierde, und denen, die ihn täglich eine Stunde lang spazierengehend umkreisen, zu erquickender Augenlabe gereichen. Diese Spaziergänger waren die ersten menschlichen Wesen, welche ich, nach dem Passiren der zahlreichen militärischen Wachtposten am Eingang der ganzen Anstalt, von den Insassen der letzteren zu Gesicht bekam. Es waren nur Männer, denn der Hof für die weiblichen Sträflinge liegt auf der andern Seite des Gebäudes. Sie gingen im ungefähren Abstand von sechs Schritten einer hinter dem andern her, eine gewisse Anzahl in dieser, eine andere in der entgegengesetzten Richtung, so daß sie einander fortwährend in wiederum vorschriftsmäßiger Entfernung begegneten . . . Sobald ich unter der Führung eines mir beigegebenen Soldaten den Hof und jene Spaziergänger passirt hatte, befand ich mich beim Eintreten in das Hauptgebäude in einem Corridor des Erdgeschosses . . .«[1]

Leben im Zuchthaus 1870-1874[Bearbeiten]

Während Mays Aufenthalt existierten in Waldheim zur Beschäftigung der männlichen Züchtlinge folgende Arbeitsabteilungen: Möbeltischlerei, Schneiderei, Tuchschuh- und Militärtuch-Macherei, Weberei baumwollener Schirmstoffe, Leineweberei, Zigarren-Fabrikation, Strumpfwirkerei, Serpentin-Schleiferei, Bildhauerei, Portefeuille-, Filz- und Brückenwagen-Fabrikation. Dabei war das Zuchthaus Vertragspartner verschiedener Firmen, die ihrerseits die notwendigen Maschinen bereitstellten und die fertigen Waren abnahmen. Außerdem bestand die Möglichkeit zu Haus-, Garten- und Feldarbeiten. Die Häftlinge erhielten einen kleinen Verdienst, den sie zum Teil sofort zum Kauf von Dingen des täglichen Bedarfs einsetzen konnten. Der Rest wurde gespart und stand dem Entlassenen dann bar zu.

Es gab drei Disziplinarklassen, dann eine eine Reihe von spezifizierten Strafverfügungen sowie ausformulierte »Verhaltungsvorschriften«.

Personal[Bearbeiten]

Karl Mays Haftzeit[Bearbeiten]

Zigarrendreher
Meine Strafe war schwer und lang, und der auf zwei Jahre Polizeiaufsicht lautende Zusatz konnte mir bei meiner Einlieferung keineswegs als Empfehlung dienen. Ich war also auf strenge Behandlung gefaßt. Sie war ernst, aber sie tat nicht weh. Eine Anstaltsdirektion handelt ganz richtig, wenn sie sich nicht voreingenommen zeigt, sondern ruhig abwartet, ob und wie der Eingelieferte sich fügt. Nun, ich fügte mich! Freilich wurde für dieses Mal auf meinen Stand keine Rücksicht genommen. Man teilte mich derjenigen Beschäftigung zu, in der grad Arbeiter gebraucht wurden. Ich wurde Zigarrenmacher. Ich bat, isoliert zu werden; man gestattete es mir. Ich habe vier Jahre lang dieselbe Zelle bewohnt und denke noch heut mit jener eigenartigen, dankbaren Rührung an sie zurück, welche man stillen, nicht grausamen Leidensstätten schuldet. Auch die Arbeit wurde mir lieb. Sie war mir hochinteressant. Ich lernte alle Arten von Tabak kennen und alle Sorten von Zigarren fertigen, von der billigsten bis zur teuersten. Das tägliche Pensum war nicht zu hoch gestellt. Es kam auf die Sorte, auf den guten Willen und auf die Geschicklichkeit an. Als ich einmal eingeübt war, brachte ich mein Pensum spielend fertig und hatte auch noch stunden- und halbe Tage lang übrige Zeit. Diese Zeit für mich verwenden zu dürfen, war mein innigster Wunsch, und der wurde mir eher, viel eher erfüllt, als ich es für möglich hielt. (K. May, "Mein Leben und Streben", S. 169 f.)
Karl Mays Entlassungsdokument
Ich muß konstatieren, daß diese vier Jahre der ungestörten Einsamkeit und konzentrierten Sammlung mich sehr, sehr weit vorwärts gebracht haben. Es stand mir jedes Buch zur Verfügung, das ich für meine Studien brauchte. Ich stellte meine Arbeitspläne fertig und begann dann mit der Ausführung derselben. Ich schrieb Manuskripte. Sobald eines fertig war, schickte ich es heim. Die Eltern vermittelten dann zwischen mir und den Verlegern. Ich schrieb diesen nicht direkt, weil sie jetzt noch nicht erfahren sollten, daß der Verfasser der Erzählungen, die sie druckten, ein Gefangener sei. (K. May, "Mein Leben und Streben", S. 175)

Karl May war vom 3. Mai 1870 bis zum 2. Mai 1874 im Zuchthaus zu Waldheim wegen Betrugs, Fälschung und wiederholtem Diebstahl inhaftiert. Er trug die Häftlingsnummer "402". Wegen Rückfälligkeit kam eine vorzeitige Entlassung diesmal nicht in Frage.

Er wurde nach seiner Einweisung als Rückfalltäter in die III. (= unterste) Disziplinarklasse aufgenommen und kam "wegen Verdachts des Entweichens und Neigung zu groben Unfug, Widersetzlichkeit und Gewaltthaten" zeitweise in Isolierhaft.

Karl May fertigt im Zuchthaus Zigarren.

Zeitweise betreute May die etwa 1.700 Bände umfassende Bibliothek der Anstalt; eine schreibende Tätigkeit ("Ich schrieb Manuskripte. Sobald eines fertig war, schickte ich es heim. Die Eltern vermittelten dann zwischen mir und den Verlegern.") war dagegen ausgeschlossen.

Allerdings wurde er auf Vermittlung des Katecheten Johannes Kochta zum Orgeldienst herangezogen.[2]

Die Personenbeschreibung Mays bei der Entlassung enthielt folgende Angaben: »Alter: 32 ¼ Jahr - Größe: 72 Zoll - Statur: mittel und schmächtig - Gesichtsform: lang - Gesichtsfarbe: blaß - Haare: braun - Augen: blaugrau - Augenbrauen: braun - Bart: schwach - Nase, Mund: proport. - Stirn: mittelhoch - Kinn: lang - Zähne: vorn gut - Besondere Kennzeichen: - «

Nach seiner Entlassung stand May noch zwei Jahre unter Polizeiaufsicht.

Spiegelungen der Haftzeit im Werk[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Robert Waldmüller: Ein Tag im Zuchthause. In: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst. Hrsg. v. Alfred Dove. 3. Jg., 1873, l. Bd., Heft 11, 401-421. (zitiert nach Hainer Plaul: Resozialisierung..., S. 124 f.).
  2. Die Waldheimer Orgel existiert noch und befindet sich in der Lutherkirche in Meißen.

Literatur[Bearbeiten]


Weblinks[Bearbeiten]