Alwin Eichler

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Paul Richard Alwin Eichler (* 17. Juni 1859 in Mobschatz; † 12. Januar 1912 in Cossebaude) war der Leiter der amerikanischen Dependancen des Münchmeyer-Verlages.

Leben

Prospekt des Musikalienhandels

Seit 1883 gab es in Chicago und New York Filialen des Verlags H. G. Münchmeyer, die Alwin Eichler leitete. Er war z. B. für die Verbreitung der englischen Übersetzung von Karl Mays Kolportageroman Waldröschen (ab 1886) zuständig.[1]

Nach seiner Tätigkeit für Münchmeyer wirkte Eichler im Musikalienhandel (American Harp-Zither) in Berlin und gründete später einen eigenen Verlag in Dresden, Rosenstraße 107. Der Verleger selbst wohnte in Cossebaude, Schulstraße 4. Ab 1905 hatte Alwin Eichler mit seinen Heftromanen über Buffalo Bill (bis 1912: 386 Hefte) und ab 1906 über Nick Carter einen Riesenerfolg in ganz Europa.[2]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es vermehrt zu Aktionen gegen die sogenannte Schundliteratur. Zudem spekulierte Alwin Eichler riskant und erfolglos, so dass sein Verlagsunternehmen zusammenbrach. Anfang des Jahres 1912 sah er keinen anderen Ausweg, als sich durch Erhängen das Leben zu nehmen. Am 15. Januar wurde Alwin Eichler auf dem Friedhof Dresden-Tolkewitz beigesetzt.

Paul Schumann kommentierte in seinem Nachruf im Dresdner Anzeiger vom 17. Januar den Freitod Eichlers folgendermaßen:

Das Schicksal des Mannes, der durch seinen Verlag soviel Unsegen gestiftet hat, zeigt, daß der Kampf gegen die Schundliteratur keineswegs erfolglos geführt worden ist.[3]

Alwin Eichler und Karl May

als Mitarbeiter Münchmeyers

Im August 1907 verfasste und veröffentlichte Karl May seinen Text Die "Rettung" des Herrn Cardauns. Darin heißt es zu Alwin Eichler als Mitarbeiter des Münchmeyer-Verlags:

Das Gerücht von den Karl Mayschen "Schundromanen" stammte aus Amerika, wo Münchmeyer einige sehr bedeutende Filialen hatte. Die Recherchen dort erforderten ungeheure Zeit. Ich erfuhr nur nach und nach, was da drüben in Amerika alles mit meinen Werken geschehen war. Wie mühsam solche Nachforschungen sind und welchen Zeit und Geldaufwand sie kosten, sei an dem Leiter dieser amerikanischen Filialen nachgewiesen, der später nach Deutschland zurückkehrte und sich in Berlin niederließ. Dort besaß er mit Weib und Kind eine Privatwohnung, sodann eine größere Fabrik von Harmonikas, zu denen er einen Roman von mir vollständig gratis gab, und außerdem in den größeren Städten des Deutschen Reichs über 20 Filialen mit demselben Harmonika- und Karl-May-Vertrieb. Und wenn ich ihn fassen wollte, war er nie zu haben. Nur ein einziges Mal ist es mir und meinem Rechtsanwalt gelungen, ihn zu sehen, dann niemals mehr.[4]

1894 war Alwin Eichler bei dem Geschäftsessen der Witwe Pauline Münchmeyer mit Karl May anwesend, bei dem über Mays Kolportageromane und die Rechte daran gesprochen wurde. In seinem Text Frau Pollmer, eine psychologische Studie (1907) schrieb May dazu:

Während des Mittagessens waren wir [nämlich Karl und Emma May, seine erste Frau] zunächst allein mit ihr [nämlich Pauline Münchmeyer]; dann stellte sich Eichler ein, der mir hierzu ganz besonders bestellt zu sein schien, um meine Worte und Ausdrücke zu fangen.[5]

Buffalo Bill

Alwin Eichler bat Karl May am 30. Oktober 1900 um dessen Mitarbeit (als Autor oder Bearbeiter). Karl May dachte natürlich nicht daran, sicherte aber grundsätzlich seine Bereitschaft zu einem Buch über Buffalo Bill zu, um Informationen über den Münchmeyer-Verlag zu bekommen.[6]

Zu einem Treffen kam es am 5. Januar 1901 in Berlin. Karl May hielt sich bedeckt, lehnte aber den gewünschten Roman wiederum nicht grundsätzlich ab. Dafür unterschrieb Alwin Eichler folgende von May formulierte Erklärung:

Ich erkläre hiermit, daß ich Herrn Schriftsteller Karl May den Wunsch geäußert habe, mir eine Arbeit über "Buffalo Bill" zu schreiben und daß ich auf die ihm eigene Grundbedingung eingehe, daß diese Arbeit nach einer noch näher zu bestimmenden Zeit ihm wieder so ausschließlich gehört, daß er sie in seine "Gesammelten Werke" aufnehmen kann.

Für May war diese Erklärung insofern von Bedeutung, dass aus ihr indirekt hervorgeht, dass auch seine Münchmeyer-Romane dem Verleger nur in bestimmten Grenzen überlassen waren.[7]

Am 26. April 1901 schrieb der Verleger an den Schriftsteller:

Leider habe ich bis heute von Ihnen nichts gehört wie Sie über Buffalo Bill denken; ich war vorgestern bei Ihnen um Sie persönlich zu sprechen wurde aber nicht vorgelassen.[8]

Von einer nahezu identischen Erfahrung berichtet der nächste bekannte Brief Alwin Eichlers an Karl May vom 18. Juli 1901:

Bin gestern Abend nach einer viertägigen Belagerung der Festung "Old Shatterhands" [= Karl Mays] (leider resultatlos) zurückgekehrt.

May hielt Eichler also über Monate hin – zu einem Ergebnis kam es nie. Eichler war darüber sehr verstimmt und wurde zu einem Gegner Mays.[9]

als Zeuge im Münchmeyer-Prozess (1)

In einer für das Gericht bestimmten Erklärung äußerte sich die ehemalige Vorleserin Heinrich Gotthold Münchmeyers, Rosalie Freitag, am 7. Juni 1902 auch über das Waldröschen:

Es sei ein Treffer gewesen, auch sei es zudem in Amerika gut gegangen.

Näheres darüber wüsste Alwin Eichler zu berichten.[10]

Bei einer Zeugenvernehmung, die am 18. März 1903 in Berlin in Gegenwart von Karl und Klara May, seiner zweiten Frau, stattfand, machte auch Alwin Eichler eine Aussage. In ihrem Tagebuch vermerkte Klara May dazu:

[Der gegnerische Rechtsanwalt Oskar] Gerlach und d[ie] Münchmeyer bearbeiteten Eichler bald eine Stunde vor der Vernehmung. Gerlach packte die Akten zweimal aus und paukte dem Eichler ein, was er sagen sollte. Das saubere Kleeblatt war sehr erregt.[11]

Der nunmehrige Besitzer des Münchmeyer-Verlags, Adalbert Fischer, schrieb am 23. März 1903 diesbezüglich an Karl May:

Daß Sie in Berlin zur Vernehmung Eichlers waren, wußte ich nicht & daß Sie sich dabei in so angenehmer Gesellschaft befanden – freut mich wegen des erzielten Resultates![12] Was wollen Sie nur immer damit, daß Eichler mein Commissionär sein soll! [...] Ich habe mit dem Herrn ja wirklich gar nichts gemein, er ist Käufer meiner Sachen & nichts weiter![13]

Emmy Bernstein, die Gattin des Rechtsanwalts Rudolf Bernstein schrieb am 8. Juli 1903 an Klara May, die Gattin seines Klienten,

daß der Termin morgen nicht stattfinden kann, da der Zeuge Eichler in London sei.[14]

Konkurrenten

Am 6. Dezember 1905 bekam Karl May Besuch vom Dresdner Verlagsbuchhändler Theodor Remert. May notierte dazu:

Will Roman gegen Eichlers "Buffalo Bill".[15]

Dies war nicht der einzige Konkurrent Alwin Eichlers. Auch der oben genannte Adalbert Fischer veröffentlichte Groschenhefte, die Eichlers Buffalo Bill, Nick Carter usw. Abbruch tun sollten, und zwar unter dem Titel Kapitän Stürmer's Fahrten und Abenteuer zu Wasser und zu Lande.[16]

Anzeige wegen Meineids

Pauline Münchmeyer hatte 1907 Karl May wegen Meineids angezeigt. In diesem Zusammenhang kam es am 9. November 1907 zu einer Hausdurchsuchung in Mays Villa "Shatterhand". Dabei wurde ein Brief Alwin Eichlers an den Aussiger Buchhändler Eduard Krüger sowie von May formulierte Briefe Krügers an Eichler gefunden.[17] Daraufhin wurde Krüger vernommen und auch bei ihm einen Hausdurchsuchung durchgeführt. Im April 1908 reiste der Buchhändler nach Radebeul, um mit Karl May darüber zu sprechen, traf allerdings nur dessen Schwiegermutter Wilhelmine Beibler an. Diese äußerte sich zu dem Sachverhalt in einer eidesstattlichen Erklärung am 20. Mai:

Krüger hatte vor längerer Zeit meinen Schwiegersohn brieflich um einen Rat gebeten, in einer geschäftlichen Angelegenheit über einen Kolportagebuchhändler Eichler. Mein Schwiegersohn hat daraufhin für Krüger einen Brief geschrieben und eine Abschrift davon zurückbehalten. [...] Dieser Brief, der mit der angeblichen Meineidssache in keiner Verbindung stehen kann, gab dem Untersuchungsrichter Anlaß, bei dem Buchhändler Krüger, der nicht das Mindeste mit dem Prozeß zu tun hat, Haussuchung vornehmen zu lassen.[18]

als Zeuge im Münchmeyer-Prozess (2)

Bei einer weiteren Zeugenvernehmung im Münchmeyer-Prozess sollte Alwin Eichler neben anderen am 21. September 1910 vernommen werden, wie Karl May am 25. August durch seinen Rechtsanwalt Franz Netcke erfuhr.[19] Diese Vernehmung fand von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr nachmittags im Dresdner Landgericht in Gegenwart des Ehepaars May nebst Anwalt sowie vermutlich der Gegenpartei statt.[20]

In einem Brief an Netcke vom 14. November 1910 lehnte May Alwin Eichler als Zeugen ab. Dieser könne sich an nichts erinnern, da May ihm 1901 keinen Roman über Buffalo Bill geschrieben hätte:

Er spricht [in seinen damaligen Briefen] von den "köstlichen Gaben meines Geistes und Herzens". Er wünscht, "so glücklich zu sein, vorgelassen zu werden". Wenn er, der gründlichste Kenner meiner Romane und zugleich auch der gründlichste Kenner ihres großen Erfolges und meines geschäftlichen Verhältnisses zu Münchmeyer, in dieser Weise an mich schreibt, so versteht es sich wohl ganz von selbst, daß meine Münchmeyerromane in noch ganz andern Auflagen verbreitet worden sind, als man zugeben will.[21]

Karl May auf französisch

Am 24. Januar 1911 bat Gustav Kühn, der bereits Ende 1910 mit Klara May gesprochen hatte, brieflich um einen Gesprächstermin mit Karl May. Kühn war der Vertreter der Pariser Firma Nouvelles Publications Populaires, die zur Verlagsgruppe Alwin Eichlers gehörte und sich um die Rechte an den französischen Übersetzungen von Mays Werken bemühte.[22]

Weitere Kontakte zwischen Alwin Eichler und Karl May sind wahrscheinlich, aber nicht bekannt.

Anmerkungen

  1. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 32.
  2. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 567.
  3. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 540.
  4. Karl May: "An die deutsche Presse!" und andere Flugblätter, S. 289.
  5. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik I, S. 487 f.
  6. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 410.
  7. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 431.
  8. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 456.
  9. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 478.
  10. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 66.
  11. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 227.
  12. Offenbar hatte Eichler doch zu Mays Gunsten ausgesagt.
  13. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 227.
  14. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 258.
  15. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik III, S. 567.
  16. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik IV, S. 129.
  17. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik IV, S. 348.
  18. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik IV, S. 375 f.
  19. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 280.
  20. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 313.
  21. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 352.
  22. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 402 f.

Literatur

Informationen über Zeitgenossen Karl Mays finden Sie im Namensverzeichnis Karl May – Personen in seinem Leben von Volker Griese unter Mitwirkung von Wolfgang Sämmer.