Ein Judenknabe kommt an eine Fleischbude

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Ein Judenknabe kommt an eine Fleischbude ist eine Anekdote aus der Rubrik Allerlei der von Karl May redaktionell betreuten Zeitschrift Schacht und Hütte. Sie wurde in Nummer 1 abgedruckt.

Text

Ein Judenknabe kommt an eine Fleischbude und kauft ein Kalbsgeschlinge. Als er es bezahlt hat, sagt er, seine Mutter wolle wissen, wie es zubereitet werde. Der Fleischer sagt es ihm und er nimmt, um das Recept nicht unterwegs zu vergessen, ein Stück Kreide von der Tafel und schreibt sich die einzelnen bedeutenderen Worte "abwaschen, schneider, Butter etc." vorn auf die Lederhosen.
Auf dem Nachhauseweg schnappt ein fremder Hund nach dem Geschlinge, reißt es ihm aus der Hand und versucht, damit das Weite zu gewinnen.
"Halt," ruft der Junge, "Karo'chen, Phylax'chen, Bello'chen, komm, main Hündchen, laß Dich straicheln auf Dain Fellchen, welches ist so waich und sain wie der Sammet, welchen main Vaterleben hat gekauft gestern."
Der Hund folgt natürlich nicht den Lockungen des Knaben, welcher sich alle Mühe giebt, wieder zu dem Geschlinge zu kommen.
"Ali'chen, Ammi'chen, Netto'chen, Boxer'chen, Schnüffelchen, komm und laß reden mit Dir, main Thierchen. Du sollst auch haben ain Stück von dem Fleisch so groß – so groß!"
Dabei breitet er die Arme weit auseinander, um dem Hunde die Größe des versprochenen Stückes zu demonstriren. Dieser aber hält die Bewegung für etwas anderes und macht sich mit dem Geschlinge eiligst von dannen. Da rennt der Junge eiligen Laufes hinter ihm her und bleibt, als er sieht, daß er das rasche Thier nicht einzuholen vermag, stehen und ruft ergrimmt, in die Hände spuckend und die Kreidebuchstaben von den Lederhosen wischend:
"Racker, Du, armseliger, miserabler, willst Du nicht geben wieder her das Flaisch, so sollst Du auch nicht haben das Receptche!"

Herkunft

Der Text basiert auf einer Anekdote, die in 1832 in Nummer 23 von Ahasverus, der ewige Jude, um 1842 in Das große deutsche Anekdoten=Lexikon sowie 1859 in Nummer 8 des V. Jahrgangs von Die Plauderstube und in Nummer 8 von Unterhaltungsblatt, als Beilage zur Regensburger Zeitung abgedruckt war. Ob May die Anekdote auf Basis dieser Vorlagen selbst ausformulierte oder die SChacht-und-Hütte-Fassung aus einer noch unbekannten Quelle fertig übernommen hat, ist unbekannt.