Im alten Schloß zu Weesenstein (Gedicht)

Aus Karl-May-Wiki
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Im alten Schloß zu Weesenstein ist ein Gedicht, das Karl May seinen Freunden, der Familie Seyler, schrieb.

Text

Vers 1: Im alten Schloß zu Weesenstein,
Da solls des Nachts sehr finster sein.
Warum so finster grad bei Nacht?
Das hat man nicht herausgebracht.
Vers 2: Wenn es des Nachts dort Zwölfe schlägt,
Der Klöppel zwölfmal sich bewegt,
Warum es grad zwölf Schläge macht,
Das hat man nicht herausgebracht!
Vers 3: Ein Dichter, dem dies ward bericht',
Der machte darauf ein Gedicht.
Warum er das Gedicht gemacht?
Das hat noch niemand 'rausgebracht!
Nutzanwendung: Im alten Schloß zu Weesenstein
Da sitzen wir so ganz allein.
Warum Ihr nicht mit uns gemacht,
Das hat noch keiner 'rausgebracht![1]

Textgeschichte

Am 12. August 1898 hielt sich Karl May mit seiner ersten Frau Emma im Schloss Weesenstein nahe Dresden auf. Von dort sandte er vier Ansichtskarten an Familie Seyler, worauf er dieses Poem in Teilen schrieb.[2]

Es wurde zu Karl Mays Lebzeiten nicht veröffentlicht. Die Erstveröffentlichung erfolgte 1975.[3]

der eigentliche Autor

Martin Lowsky gelang 2008 der Nachweis, dass Heinz Erhardt eine leicht abweichende dreistrophige Fassung mit dem Titel Ballade aus Estland[4] bereits in den 1950er Jahren, also vor Veröffentlichung des May-Textes, vortrug. Er zog den Schluss, dass das Scherzgedicht nicht von May stammt, sondern es eine ältere Vorlage geben müsse.[5] Die vierte Strophe (Nutzanwendung) dagegen scheint wegen der direkten Ansprache an seinen Brieffreund sowie eines kaum versteckten Saxonismus tatsächlich ein May zu sein.

Zwei verschiedene Vertonungen mit dem Titel "Im alten Schloß zu Weesenstein" wurden inzwischen in älteren Musikbibliographien nachgewiesen. Einmal "Cursch-Bühren, F. Theodor, [...] – Eine dunkle Sage: „Im alten Schloss zu Wesenstein“. Heiterer Männerchor. Part. u. St. (Mk 0,60) 8. Mk 1,20. Leipzig, O. Forberg"[6] (1896) sowie "Zehngraf, J. [...] – Op. 23. Eine dunkle Sage: „Im alten Schloss zu Wesenstein“. Humorist. Männerquartett. Part. u. St. (Mk 0,60) 8. Mk 1,20. Leipzig, Robitschek."[7] (1897).

Über die Angabe des Textdichters fand Jenny Florstedt 2018 das dort dreistrophige Gedicht in den "Fliegenden Blättern" (1894, Heft 100, S. 147). Verfasser war Georg Bötticher (1849-1918), der Vater von Joachim Ringelnatz. Nur die vierte Strophe stammt also von Karl May.

Anmerkungen

  1. Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag BambergRadebeul 2005, S. 157. ISBN 978-3-7802-0170-6.
  2. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 157.
  3. Amand von Ozoróczy: Das zweite Ave Maria. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 25/1975, S. 10 (kleiner Nachtrag samt Detailkorrektur dann in M-KMG Nr. 26).
  4. In Estland gab es es eine mächtige Ordensburg "Weißenstein", heute "Paide", die gemeint sein könnte.
  5. Lowsky: Das Scherzgedicht, S. 41 f.
  6. d.i. Franz Theodor Cursch-Bühren (1859-1908)
  7. d.i. Josef Zehngraf (1841-1927)

Literatur