Die Ehe (Gedicht)

Aus Karl-May-Wiki
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Die Ehe ist ein Gedicht von Karl May.

Text

          Die Ehe.
  Betrachte dich, und werde, was du bist!
Ein Mann bist du, und hasts doch erst zu werden.
  Weißt du vielleicht, was an dir männlich ist?
Der Körper, die Bewegung, die Geberden.
  Du bist so ernst, energisch, alles Das,
Was man am Manne lobt, wenn man es findet,
  Und weißt auch leicht zu überwinden, was
Ein Anderer nur mühsam überwindet.
  Und doch, und doch – – o sähest du es ein! – –
  Bist du noch weit entfernt, ein Mann zu sein.
  Als Mann ererbtest du die heilge Pflicht,
Zu suchen, was der erste Mann verloren,
  Das Paradies, und findest du es nicht,
So wurdest du für hier umsonst geboren.
  Denk dich als Den, der aus dem Eden ging,
Und sinne nach, so wirst du dich erinnern.
  Such nach der Heimath, die dich einst umfing;
Den Schlüssel trägst du stets in deinem Innern.
  Liebst du dein Weib, so führs dort wieder ein;
  Dem wahren Manne wird es möglich sein.
  Betrachte dich, und werde, was du bist!
Ein Weib bist du, und hasts doch erst zu werden.
  Weißt du vielleicht, was an dir weiblich ist?
Der Körper, die Bewegung, die Geberden,
  Du bist so fromm, versöhnlich, mild und zart;
Du liebst die Deinen, wie nur Frauen lieben.
  Du warst als Kind von guter Kinder Art
Und bist so herzig, wie du warst, geblieben.
  Und doch und doch – – o sähest du es ein! – –
  Bist du noch weit entfernt, ein Weib zu sein.
  Als Weib ererbtest du die heilge Pflicht,
Zu suchen, was das erste Weib verloren.
  Das Paradies, und findest du es nicht,
So bist und hast du hier umsonst geboren.
  Denk, du seist Die, die einst der Herr verstieß,
Weil sie die Himmelsliebe nicht verstanden.
  Such nach der Heimath, nach dem Paradies;
Es bleibt der Liebe ewig zugestanden.
  Den Mann, das Kind, führ sie dort mit dir ein;
  Dem wahren Weibe wird es möglich sein.
  Betrachtet euch, und werdet, was ihr seid!
Ja, ihr seid Mann und Weib; ich hörs euch sagen.
  Das heißt, Ihr seids geworden für die Zeit,
In welcher euch die Erdenstunden schlagen.
  Und wer als Christ sich zeigen will, der spricht:
Den Bund der Herzen trennen selbst die Schauer
  Des Todes und des offnen Grabes nicht;
Er ward geweiht und ist von ewger Dauer.
  Und doch, und doch – – o sähet ihr es ein! – –
  Liegts euch noch ferne, Mann und Weib zu sein.
  Als Mann und Weib ererbtet ihr die Pflicht,
Zu suchen, was das erste Paar verloren,
  Das Paradies, und findet ihr es nicht,
So werden euch die Engel wohl geboren,
  Die euch mit liebewarmem Kindermund
Das selige Geheimniß offenbaren:
  "Das Eden" hieß die ganze Erdenrund,
Als noch die Menschen Gottes Kinder waren.
  Tritt diese Gotteskindschaft wieder ein,
  Dann wird das Paradies geöffnet sein.[1]

Textgeschichte

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[2] In dieser Ausgabe ist das Gedicht auf den Seiten 269 bis 271 enthalten. Der auf der folgenden Seite abgedruckte Aphorismus lautet:

Es ist falsch, sich den Himmel unendlich weit von uns zu denken. Zwischen ihm und der Erde liegt keine Spur von Raum. Wir wissen ja, daß für ihn weder Raum noch Zeit vorhanden ist.[3]

aktuelle Ausgaben

  • Karl May: Himmelsgedanken. Gedichte. Union Verlag Berlin [Ost] 1988, S. 132–134. ISBN 3-372-00103-6 [Neusatz]
  • Karl May: Himmelsgedanken. In: Karl May: Lichte Höhen. Lyrik und Drama. Karl-May-Verlag BambergRadebeul 1998, S. 195–197. ISBN 3-7802-0049-X [modernisierter Neusatz]
  • Karl May: Himmelsgedanken. Gedichte. Books on Demand GmbH Norderstedt 2005, S. 269–271. ISBN 3-8334-2518-0 [Reprint]

Anmerkungen

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. 269–271.
  2. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  3. Karl May: Himmelsgedanken, S. 272.

Literatur

Weblinks