Ein fachmännisches Urteil über Karl May (Flugblatt): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 2. April 2015, 21:35 Uhr

Ein fachmännisches Urteil über Karl May! ist der Titel eines Flugblattes, das Karl May 1912 verbreitete.

Es beinhaltet einen Brief Hans-Erich Tzschirner-Beys an Erich Sello, der von Karl May (vermutlich) selbst eingeleitet wurde:

Der rühmlichst bekannte Forscher und Weltreisende Tzschirner sandte am 18. Dezember, dem Tage, an welchem in Berlin Lebius gegen May verurteilt wurde, folgende Zuschrift an Justizrat Dr. Sello, dem Rechtsanwalt Karl May's: [...][1]

Text[Bearbeiten]

  E i n   f a c h m ä n n i s c h e s   U r t e i l   ü b e r   K a r l   M a y !  
Der rühmlichst bekannte Forscher und Weltreisende Tzschirner sandte am 18. Dezember, dem Tage, an welchem in Berlin Lebius gegen May verurteilt wurde, folgende Zuschrift an Justizrat Dr. Sello, dem Rechtsanwalt Karl May's:
Sehr geehrter Herr Justizrat!
In der Karl May-Sache biete ich mich Ihnen als sachverständiger Zeuge dafür an, daß Herr May sich mit einem eisernen, genial zu nennenden Fleiße und einer beispiellosen Energie derartige Kenntnisse von den Ländern, die er beschrieb, angeeignet hat, daß Jeder, der sie in der Tat bereiste, vor einem Rätsel steht, wenn er hört, daß Herr May diese Länder nicht persönlich kenne.
Den schlagendsten Beweis hierfür und damit für die Wahrheit seiner inneren dichterischen Erlebnisse erhielt ich auf der Rückkehr von meiner letzten Weltreise, die mich durch das Gebiet um den Euphrat und Tigris bis Babylon hinaufführte. In dem Hause der deutschen Ausgrabungsexpedition fand ich durch Zufall das May'sche Buch »Durch die Wüste« und brachte das Gespräch auf den Autor. Die Herren, die   j a h r e l a n g   inmitten der von May geschilderten Beduinenstämme, hundert Kilometer und mehr von der nächsten, festen Siedlung entfernt, leben, sind seine begeisterten Freunde, trotzdem sie aus den Zeitungen wußten, daß er nie aus Deutschland hinausgekommen sei.
Ich selbst, der ich Arabien, Syrien und die libysche Wüste auf verschiedenen Reisen durchquert habe, war frappiert, als ich das Buch auf der Reise durch den persischen Golf las. Da ich selbst Bücher psychologischer Art und Artikel über meine vielen Reisen schreibe, wie Sie aus der zurückerbetenen Anlage ersehen, bin ich wohl zu einem Urteile berechtigt. Es geht dahin, daß man einen derart produktiven, wohl ununterbrochen in seiner Arbeit lebenden, in ihr völlig aufgehenden Dichter, der hunderttausenden deutscher Jünglinge und Männer den kühnen, begeisterten Wagemut in die Brust gepflanzt hat, der England so mächtig machte, unbedingt zubilligen muß, daß er Anspruch darauf hat, sein Privatleben vollständig in seinem Schaffen aufgehen zu lassen und einer anderen Beurteilung unterworfen zu werden als jeder beliebige Philister oder gar ein einem solchen begnadeten Könner gegenüber impotente und neidische Literat, wie der hier in Frage kommende. Wer selbst lebensvolle Bücher geschrieben hat, weiß, in welche Intensität des Miterlebens das Schaffensfieber hineintreibt. Bei May aber ist es Voraussetzung der vollen Entfaltung seiner dichterischen Kraft, daß er seine Persönlichkeit selbst in ihren Mittelpunkt stellt, wie es ganz offen jeder Lyriker und in letzter Linie   j e d e r   freischaffende Künstler tut.
Vor solcher hohen, in ihrer ideellen Wirkung kaum zu überschätzenden Kraft sollte jeder nachdenkliche und künstlerisch empfindende Mensch eine hohe Achtung haben und sich schämen, auf die zweifellos bestehende Lombroso'sche Verwandtschaft Genie, Verbrechen, Wahnsinn oder auf das bekannte Gottfried Keller'sche Gedicht hinzuweisen.
Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, sehr geehrter Herr Justizrat.
In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
H. E. Tzschirner.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 523.

Literatur[Bearbeiten]