Führer durch Zwickau und seine Umgebungen

Aus Karl-May-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Titelblatt
Auszug aus dem Abschnitt zu Schloss Osterstein

Der Führer durch Zwickau und seine Umgebungen. Mit acht Holzschnitten und einem Plane. ist ein Buch, das 1866 vom Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften herausgegeben wurde. Gedruckt wurde das Werk bei R. Zückler in Zwickau.

Inhalt

In fünf Kapiteln werden die physikalische und geognostische Lage der Stadt, Kirchen, öffentliche Gebäude, Wohnhäuser, Gasthäuser, Ausflüge in die Umgegend, Gesellschaften, Vereine, Handel, Gewerbe, Behörden und Statistiken beschrieben sowie ein kurzer Abriss der Zwickauer Geschichte gegeben.

  • 1. Capitel. Zwickau nach seiner physikalischen und geognostischen Lage
  • 2. Capitel. Wanderungen durch die Stadt:
    • a. die Kirchen und ihre Sehenswürdigkeiten.
    • b. öffentliche Gebäude, Schulen, Krankenhäuser, Landesstrafanstalt;
    • c. denkwürdige Privatgebäude;
    • d. größere Plätze, Anlagen, Friedhof;
    • e. Wohnungen, Gasthöfe, Restaurationen etc;
    • f. allgemeine Beschreibung der Stadt;
    • g. Geist der Bewohner;
    • h. Verkehrsanstalten.
  • 3. Capitel. Wanderungen durch die Umgebung.
    • 1.Ausflug. Weg nach Pölbitz, Gasthof, Brücke, Bohrversuch, Wiesenweg, Beuchelt's Brauerei, Erlmühle, Nitzsche's Fabrik, Badeanstalt, Vereinsbrauerei, Bergkeller.
    • 2. Ausflug. Thalstraße, Amseltal, Trillerei, Brückenberg, Brückenberg=Schacht.
    • 3. Ausflug. Paradiesbrücke, Bellevue, Pöhlauer Grund, Freitag, Reinsdorf.
    • 4. Ausflug. Algemeines über den hiesigen Kohlenbergbau, Turnplatz, Eselswiese, Floßplatz, Lerchenmühle, chemische Fabrik, Erlenwald, Heringsbrauerei, Schader-Schächte, Wildenfelser Straße, Wilhelmschacht, Hohendorfer Schächte, heitrer Blick, Bockwa, Wasserhaltung, Kirche, Schedewitz, Fabrik von Petrikowsky u. Co., Tauscherscher Gasthof.
    • 5. Ausflug. Schneeberger Vorstadt, Beithaupt, Schedewitz, Weg an der Mulde, Eisenbahnbrücke, schiefe Ebene, Königin=Marienhütte, Cainsdorfer Brauerei, Planitzer Kohlenbrand, Geitner's Treibgärtnereim schloß Planitz, Neudörfel.
    • 6. Ausflug. Teichdamm, Fabrik von Frießner, Günther'sche Schneidemühle, Galgengrund, Schächte, Seidel's Gärtnerei, Reichenbacher Straße, chemische und Thonwaaren=Fabrik von Fikentscher, Maschinenfabrik von Brod und Stiehler, meteorologische Station.
    • 7. Ausflug. Werdauer Straße, Porzellanfabrik, Fabrik von Witte, Zwickauer Glashütte, Marienthal, Gasthof, Windberg.
  • 4. Capitel. Wanderungen durch die Gesellschaft.
    • a. Gesellschaften: Casino, Club, Bellvue Union etc.;
    • b. Vereine: Musik=, Kunst=, Lehrer=, Gewerbe=, Fortbildungsverein etc. etc.;
    • c. Handel und Gewerbe - Jahrmärkte;
    • d. Buchhandel, Leihbibliotheken, Presse;
    • e. Behörden und Statistik des Ortes.
  • 5. Capitel. Historische Wanderungen.
    • Zwickaus Ursprung und kurze Geschichte bis auf die Gegenwart.

Hintergrund

Der Führer durch Zwickau und seine Umgebungen wurde 1866 als Jubiläumsband zum 25-jährigen Bestehen des Vereins zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften herausgegeben.[1] Als Neuheit beworben wurde der Band im Mai 1866.[2] Es erschien ohne Verfasserangabe, allerdings werden die Nachnamen der Verfasser im 24. Jahresbericht genannt. Dort heißt es zu den geplanten Werken: Ferner sind in Aussicht genommen: Krell und Burkhard, Führer durch Zwickau und Umgegend nebst Illustrationen.[3] Bei dem genannten Krell handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Alexander Krell.[4]

Karl May

Das Buch beschreibt die Zustände in der Stadt Zwickau, die während Karl Mays Haftzeit im Arbeitshaus Schloss Osterstein herrschten. Das Werk wurde von Hainer Plaul auch für die Erforschung und Darstellung dieses Lebensabschnittes Mays herangezogen.[5]

Es enthält unter anderem eine Beschreibung eines Besuches auf Schloss Osterstein, der die Situation im Arbeitshaus während der Haftzeit Mays schildert. In der Ausstellung Karl May in Zwickau im Robert-Schumann-Haus im Jahr 2012 wurde der Führer durch Zwickau und seine Umgebungen ebenfalls präsentiert und dabei die These aufgestellt, dass sich unter den im Osterstein-Abschnitt beschriebenen Gefangenen der 1. Disziplinarklasse auch Karl May befunden haben könnte. May wurde allerdings erst 1867[6] in die erste Disziplinarklasse versetzt, das Buch aber bereits 1865/66 erarbeitet.

Zu den Gegebenheiten auf Schloss Osterstein wird berichtet:

Außer diesen Anstalten zur Heilung körperlicher Gebrechen hat Zwickau auch noch eine Heilanstalt für moralisch und sittlich Kranke; ich meine die Dir dem Namen nach gewiß schon längst bekannte Königliche Landesstrafanstalt. Dieselbe befindet sich in dem im Norden der Stadt gelegenen Schlosse Osterstein. Dieses alte, merkwürdige Schloß hat wahrscheinlich der Markgraf Dietrich der Bedrängte angelegt, theils zur Vertheidigung der Stadt, theils als landesherrliches Absteigewuartier. In seiner jetzigen Gestalt aber steht das Schloß erst seit Ende des 16. Jahrhunderts. Im Jahre 1587 ließ nehmlich der baulustige Kurfürst August I. dasselbe ganz abtragen und im Renaissance=Style neu erbauen. Zugleich erhielt das Schlß den Namen "Osterstein", nachdem es zeither nur "Schloß Zwickaw" oder die "Burg" genannt worden, und umfaßte die Expeditionen und Archive des Justiz= und Rentamts für den Zwickauer Amtsbezirk. Im dreißigjährigen Kriege wurde es dermaßen zerschossen, daß es längere Zeit unbewohnbar blieb. Es bildet ein ziemlich regelmäßiges, von einem besonderen Graben, welcher jetzt als Gemüsegarten dient, nebst Mauer eingefaßtes Viereck, das einen geräumigen Hof umschließt. Von der antiken Bauart zeugt namentlich noch das fünf Stock hohe, thurmartige Mittelgebäude des Vorderflügels nebst den beiden Treppenthürmen. Seine gegenwärtige Bestimmung erhielt das Schloß im Jahre 1775. Da sich aber später die Zahl der Detinirten vergrößerte und die Räumlichkeiten des Schlosses nicht mehr hinreichend waren, wurde das in der unmittelbaren Nachbarschaft des letzteren gelegene geräumige Magazin der Anstalt einverleibt und 1863 auch noch ein Zellenhaus dazu erbaut. Weil der Besuch der Anstalt nicht jedem gestattet werden kann, Du Dich aber, lieber Freund, für dieselbe zu interessiren scheinst, so will ich versuchen, dir den Eindruck zu schildern, welchen die Anstalt bei meinem Besuche auf mich gemacht hat. Nachdem ich infolge besonderer Empfehlung beim Anstaltsdirektor, Herrn Regierungsrath d'Alinge, die Erlaubniß zu einem Besuche erhalten hatte, wendete ich unter Führung eines Anstaltsbeamten meine Aufmerksamkeit sowohl den Lokalitäten als insbesondere den Inhaftaten der Anstalt zu. Mein Führer geleitete mich zuerst durch die Räume des aus drei Flügeln bestehenden Schlosses; der eine Flügel umfaßte hauptsächlich die Wohnung des Direktors und eines Oberbeamten, während die übrigen Räume verschiedenen ZWecken dienten. So waren z. B. in den Parterren die Expeditionen der verschiedenen Abtheilungen im Verwaltungsfache, die Arbeitslokale für Schmiede, Schlosser und Klempner, sowie die Küche der Gesammtanstalt. In der ersten Etage des zweiten und dritten Flügels fand ich größere und kleinere Zimmer, in welchen Täschner, Schmiede und Schumacher ihre Arbeiten verrichteten, desgleichen einen Speisesaal für die Detinirten. Größere Arbeitssäle für Portefeuillearbeiter, Weber und Strumpfwirker lagen in der zweiten Etage. Die Bodenräume dienten zu Schlafsälen. Nach Besichtigung dieser Lokalitäten führte mich mein Begleiter in ein westlich gelegenes großes Gebäude. Auch hier sah ich verschiedene Werkstätten für Tischler, Drechsler und Zimmerleute, sowie einen umfänglichen Saal, in welchem Cigarrenmacher saßen. Zuletzt besuchte ich auch das Zellenhaus, für circa 150 Gefangene eingerichtet. Es bildete den westlichsten Theil der Anstalt. Aber überall, wohin ich kam, auch in kleinsten Räumen, fand ich eine musterhafte Reinlichkeit und Ordnung, was auf mich einen außerordentliche günstigen Eindruck machte. Noch mehr Interesse als die Räumlichkeiten gewährten mir die Detinirten der Anstalt. Überfall fand ich Leute aus den verschiedensten Altersklassen: Jünglinge, kaum der Schule entlassen, aber schon im Strafhause; Leichtsinn, Bosheit oder Tücke hatte sie wohl hineingeführt; desgleichen Männer in schneeweißen Haare, an denen leider das Sprüchwort: "Alter schützt vor Thorheit nicht", in seiner schlimmsten Bedeutung in Erfüllung gegangen war. Die Haltung der Gefangenen verriet, daß sie aus den verschiedensten Kreisen des bürgerlichen Lebens gekommen waren. Alle aber trugen die Sträflingskleidung, bestehend aus einer schwarzgrauen Tuchhose und Jacke, schwarzem Käppchen und Lederschuhen. Mit Stillschweigen saßen sie an ihrer Arbeit, den Fremden scheinbar kaum beachtend; sie senkten ihre Blicke vor dem Auge des Beobachters und verrichteten ernst ihre Arbeit. Alle waren hier in einem Hause, in welchem Zucht und Ordnung von jedem ohne Ansehen der Person verlangt wird, und das Kommen und Gehen, das Beginnen und Aufhören der Arbeit gab Zeugniß von der strengen Handhabung der Hausordnung. Die Aufseher sind Wächter des Gesetzes. Aber in ihrer Brust schlagen warme Herzen, von Mitleid an dem Geschicke der Gefangenen erfüllt, und dieses bedingt das Vertrauen und den freudigen Gehorsam der Gefangenen. Dieser Geist aber, von welchem sowohl das Aufsichtspersonal als auch die Oberbeamten beseelt waren, geht aus von der Direkton der Anstalt, die nach pädagogischen Grundsätzen und Einsichten das Ganze leitet. So spndet sie auch den Gefangenen ihre Anerkennung für Fleiß und gute Führung. Ich fand nehmlich eine Anzahl Detinirter, welche sich durch ihre Kleidung auszeichneten; sie trugen eine hellgraue Tuchjacke und ein weißes Halstuch. von diesen erzählte mir mein Führer, "daß sie schon längere Zeit mit gutem Erfolge an ihrer Besserung gearbeitet hätten und besonders zu der Hoffnung berechtigten, daß sie auch nach ihrer Rückkehr ins bürgerliche Leben auf dem eingeschlagenen guten Wege fortwandeln würden." Sie bildeten die erste Disciplinarklasse und dinten der zweiten und dritten Klasse als Muster. Eine räumliche Trennung dieser Klassen fand nicht statt; denn gerade "in der Mischung sucht die Direktion einen wichtigen Hebel für die sittliche Erzieung der Gefangenen." Auch die Arbeit, welche bekanntlich "alle Momente der Sittlichkeit in sich faßt", steht hier als Erziehungsmittel außerordentlich hoch. Jeder Detinirte muß arbeiten und wird dabei an Ausdauer, Sauberkeit, Ordnung und Pünktlichkeit gewöhnt. Dabei ist die Direktion zugleich ernstlich bemüht, in jedem Gefangenen die rechte Freude an der Arbeit zu erwecken, und hat sich diese einmal gefunden, dann darf man für ihn wohl das Beste hoffen. In den heutigen Tagen heißt die Parole "Fortbildung". An vielen Orten hat man darum, wie Du selbst wissen wirst, sogenannte Fortbildungsschulen ins Leben gerufen, wo Jünglinge, ja Männer, durch Unterricht ihr Wissen bereichern. Um nun die Gefangenen hinter jenen nicht zurück zu lassen, sowie auch deshalb, "weil Bildung überhaupt, wenn sie mit der rechten sittlichen Grundlage in Verbindung steht, ein Hebel für Moralität wird", ist die Direktion auch eifrig auf die Fortbildung der Gefangenen bedacht. Es giebt dort Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen etc. Derselbe wird zum Theul vom Katecheten, als dem Lehrer der Anstalt, theils auch von dazu befähigten Aufsichtsbeamten erteilt. an Sonntagen werden sogar besondere Vorträge gehalten, um den Geist der Ungebildeten zu erhellen. Aber nicht allein Verstandsbildung wird daselbst getrieben; auch das Herz und Gemüth der Gefangenen sucht man zu veredeln. Diese Bildung liegt hauptsächlich in den Händen der drei Anstaltsgeistlichen. Sei treiben das Werk der Seelsorge an diesen Gefallenen theils durch besonderen Religionsunterricht, theils bei ihren Besuchen auf den Arbeitssälen, den Betsälen, wo die Detinirten ihre Morgen= und Abendandachten halten, theils im Gotteshause selbst. Du siehst, lieber Freund, aus Allem, was ich Dir jetzt über die hiesige Strafanstalt mitgetheilt habe, daß das Endziel aller ihrer Bestrebungen "Besserung" ist. Mächten aber doch auch die hier mit Liebe erzogenen Gefangenen bei ihrer Rückkehr ins bürgerliche Leben allenthalben eine wohlwollende Aufnahme und für ihre weitere Existenz eine kräftige Unterstützung finden! So lange aber die Gemeinden und Arbeitsherren an ihren alten Vorurtheilen gegen solche Unglückliche festhalten und keinen aufnehmen wollen, von dem sie wissen, da er "gesessen hat", so lange wird auch die hier in der Anstalt mit Glück begonnene Besserung nicht hachhaltig und die Zahl der Rückfälligen nicht geringer werden.[7]

Anmerkungen

  1. Fünfundzwanzigster Jahresbericht über den Verein zur Verbreitung guter u. wohlfeiler Volksschriften, S. 6.
  2. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige, Nr. 58/1866, 11. Mai 1866, S. 1105.
  3. Vierundzwanzigster Jahresbericht über den Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften, S. 2.
  4. Schulz: Karl May und Alexander Krell, S. 4.
  5. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 128.
  6. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 150.
  7. Führer durch Zwickau und seine Umgebungen, Zwickau, 1866, S. 25 ff.

Literatur