Hussein Bey: Unterschied zwischen den Versionen

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Da die Region zum [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] gehörte, bedurfte die Ernennung eines Mîrs der Jesiden der Zustimmung des Paschas von Mossul; und es gab auch Versuche seitens der Türken, einen Mîr durch einen anderen zu ersetzen. Ein solches Unterfangen erfolgte im Februar 1853. Der Pascha von Mossul, Helmy Pascha, erklärte Hussein Bey für abgesetzt und dessen Schwager Jasim Bey für den neuen Mîr.<ref>Dieser Jasim Bey bleibt etwas rätselhaft. Zwar muss er zur Chol-Dynastie gehört haben, sonst hätte er nicht Hussein Beys Schwager sein können (es durfte nur innerhalb der Dynastie geheiratet werden), aber es handelt sich offenbar nicht um denselben Jasim Bey, der schon als Mîr auf Ali Bey folgte und — bei der Quellenlage muss man sagen: angeblich — von Hussein Bey getötet wurde. Er wird als junger Mann beschrieben, der keinerlei Rückhalt bei den Jesiden hatte.</ref>
 
Da die Region zum [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] gehörte, bedurfte die Ernennung eines Mîrs der Jesiden der Zustimmung des Paschas von Mossul; und es gab auch Versuche seitens der Türken, einen Mîr durch einen anderen zu ersetzen. Ein solches Unterfangen erfolgte im Februar 1853. Der Pascha von Mossul, Helmy Pascha, erklärte Hussein Bey für abgesetzt und dessen Schwager Jasim Bey für den neuen Mîr.<ref>Dieser Jasim Bey bleibt etwas rätselhaft. Zwar muss er zur Chol-Dynastie gehört haben, sonst hätte er nicht Hussein Beys Schwager sein können (es durfte nur innerhalb der Dynastie geheiratet werden), aber es handelt sich offenbar nicht um denselben Jasim Bey, der schon als Mîr auf Ali Bey folgte und — bei der Quellenlage muss man sagen: angeblich — von Hussein Bey getötet wurde. Er wird als junger Mann beschrieben, der keinerlei Rückhalt bei den Jesiden hatte.</ref>
  
Von einer kleinen Kavallerie-Eskorte begleitet, brachte ein türkischer Beamter Jasim Bey zuerst zu Scheich Nasr nach Essian,<ref>Dieses Dorf liegt  drei Kilometer östlich von Baadri,</ref> und Hussein Bey wurde auch dorthin zitiert. Als dieser nach etwas Zögern eintraf, erklärte er, dem Gouverneur dankbar zu sein, einen neuen Mîr eingesetzt zu haben, da sein Amt ihm große Schulden eingebracht habe. Dann entstand aber ein Streit über die Forderung, seine Residenz in Baadri zu räumen und Jasim Bey zu überlassen, in dessen Verlauf ein Anhänger Hussein Beys Jasim Bey erschoss, weil er sich respektlos gegenüber Hussein Bey geäußert habe. Hussein Bey floh mit seiner Familie in den Dschabal Sindschar, den er bereits aus seiner Kindheit kannte.  
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Von einer kleinen Kavallerie-Eskorte begleitet, brachte ein türkischer Beamter Jasim Bey zuerst zu Scheich Nasr nach Essian,<ref>Dieses Dorf liegt  drei Kilometer östlich von Baadri.</ref> und Hussein Bey wurde auch dorthin zitiert. Als dieser nach etwas Zögern eintraf, erklärte er, dem Gouverneur dankbar zu sein, einen neuen Mîr eingesetzt zu haben, da sein Amt ihm große Schulden eingebracht habe. Dann entstand aber ein Streit über die Forderung, seine Residenz in Baadri zu räumen und Jasim Bey zu überlassen, in dessen Verlauf ein Anhänger Hussein Beys Jasim Bey erschoss, weil er sich respektlos gegenüber Hussein Bey geäußert habe. Hussein Bey floh mit seiner Familie in den Dschabal Sindschar, den er bereits aus seiner Kindheit kannte.  
  
 
Im Oktober 1854 befand Hussein Bey sich wieder in seiner Funktion als Mîr, aber es ist nicht dokumentiert, wie es dazu kam. Es wird massive Bestechung vermutet.  
 
Im Oktober 1854 befand Hussein Bey sich wieder in seiner Funktion als Mîr, aber es ist nicht dokumentiert, wie es dazu kam. Es wird massive Bestechung vermutet.  
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Einen letzten kurzen Blick auf Hussein Bey gibt uns die Notiz eines deutschen Reisenden aus dem Dezember 1875:
 
Einen letzten kurzen Blick auf Hussein Bey gibt uns die Notiz eines deutschen Reisenden aus dem Dezember 1875:
:''Unheimlicher als die Erscheinung dieses Raubtieres war mir die des Scheiks der Yezidis, Hissén Beg, zu dem mich der Sohn meines Wirtes führte. In einem großen kalten Raume eines alten finsteren Hauses lag er, krank wie es schien, auf seinem Bette. Einen Bruder und zwei Vettern hat er ermordet,<ref>Diese Behauptung ist nicht ganz nachvollziehbar. Es ist nur ein Bruder Hussein Beys bekannt: Abdi Bey; und dieser hat Hussein Bey überlebt.<br>Der Begriff „Vetter” kann im erweiterten Sinne auch entferntere Verwandte umfassen, dann wären wohl die beiden Jasim Bey gemeint, von denen er einen tatsächlich getötet hat, während der andere nur in seinem Beisein getötet wurde.</ref> um zu der Würde zu gelangen. Das böse Gewissen, die Angst vor der rächenden Nemesis leuchtete unheimlich aus seinen Augen, und, wie mir mein Begleiter sagte, umgibt ihn ein solcher Haß seiner Familie und Glaubensgenossen, daß er den Mörder täglich erwarten kann. In Trunk und Wollust soll er seine wüsten Tage verbringen. Sein Harem zählt vier Weiber. Seine eigentliche Residenz ist Scheikh Adi, östlich von hier im Gebirge.''<ref>Pauly, Gustav: ‘’Von Hösn Kefa am Tigris bis Bagdad.’’ In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Lübeck. Heft 12, Dittmer’sche Buchhandlung, Lübeck&nbsp;1889, S.&nbsp;106.</ref>
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:''Unheimlicher als die Erscheinung dieses Raubtieres war mir die des Scheiks der Yezidis, Hissén Beg, zu dem mich der Sohn meines Wirtes führte. In einem großen kalten Raume eines alten finsteren Hauses lag er, krank wie es schien, auf seinem Bette. Einen Bruder und zwei Vettern hat er ermordet,<ref>Diese Behauptung ist nicht ganz nachvollziehbar. Es ist nur ein Bruder Hussein Beys bekannt: Abdi Bey; und dieser hat Hussein Bey überlebt.<br>Der Begriff „Vetter” kann im erweiterten Sinne auch entferntere Verwandte umfassen, dann wären wohl die beiden Jasim Bey gemeint, von denen er einen tatsächlich getötet hat, während der andere nur in seinem Beisein getötet wurde.</ref> um zu der Würde zu gelangen. Das böse Gewissen, die Angst vor der rächenden Nemesis leuchtete unheimlich aus seinen Augen, und, wie mir mein Begleiter sagte, umgibt ihn ein solcher Haß seiner Familie und Glaubensgenossen, daß er den Mörder täglich erwarten kann. In Trunk und Wollust soll er seine wüsten Tage verbringen. Sein Harem zählt vier Weiber. Seine eigentliche Residenz ist Scheikh Adi, östlich von hier im Gebirge.''<ref>Pauly, Gustav: ''Von Hösn Kefa am Tigris bis Bagdad.'' In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Lübeck. Heft 12, Dittmer’sche Buchhandlung, Lübeck&nbsp;1889, S.&nbsp;106.</ref>
  
 
1878, nach drei Jahren, wurde Hussein Bey wieder entlassen, aber seine Kompetenzen wurden beschnitten. Die Macht über Leben und Tod wurde ihm genommen; es wurde ein osmanischer Beamter in Baadri eingesetzt, und Kriminalfälle wurden vor ordentlichen Gerichten verhandelt. Vom Alkohol zugrunde gerichtet, starb er 1879 im Alter von 50 Jahren.
 
1878, nach drei Jahren, wurde Hussein Bey wieder entlassen, aber seine Kompetenzen wurden beschnitten. Die Macht über Leben und Tod wurde ihm genommen; es wurde ein osmanischer Beamter in Baadri eingesetzt, und Kriminalfälle wurden vor ordentlichen Gerichten verhandelt. Vom Alkohol zugrunde gerichtet, starb er 1879 im Alter von 50 Jahren.
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Aber auch Hussein Bey selbst wird genannt, als der Vater von Ali Bey im Zusammenhang mit  der Bestattung von [[Pir Kamek]]:
 
Aber auch Hussein Bey selbst wird genannt, als der Vater von Ali Bey im Zusammenhang mit  der Bestattung von [[Pir Kamek]]:
 
:''Auf eine darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch bereits an diesen Umstand gedacht habe.
 
:''Auf eine darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch bereits an diesen Umstand gedacht habe.
:»''[[Mir Scheik Khan]],<ref>Der von Layard beschriebene Baba Scheich der Jesiden, Scheich Nasr, war die Vorlage für die Figur des Mir Scheik Khan.</ref> Du weißt, daß der berühmte Tschömlekdschi [2) Töpfer] Rassat in Baazoni meinem Vater Hussein Bey eine Urne machte, welche einst seinen Staub aufnehmen soll, wenn es Zeit ist, ihn aus dem Mezar [3] Grab] zu entfernen, damit er nicht mit dem Mehle des Tabut [4) Sarg] vermengt und verunreinigt werde. Diese Kilja [5) Urne, Thongefäß] ist ein Meisterstück des berühmten Töpfers und wohl werth, die Überreste des Heiligen aufzunehmen. Sie steht in meinem Hause zu Baadri, und ich habe bereits Boten ausgesandt, sie herbeizuholen. Sie wird ankommen, noch ehe Ihr am Scheiterhaufen Eure Arbeit beendet habt.«''<ref>[[Karl May]]: ''[[Giölgeda padishanün]]. Reise=Erinnerungen aus dem Türkenreiche von Karl May.'' [[Deutscher Hausschatz]], [[Verlag Friedrich Pustet]], [[Regensburg]] [[1881]], S.&nbsp;696.</ref>
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:»''[[Mir Scheik Khan]],<ref>Laut [[Franz Kandolf]] war der von Layard beschriebene Baba Scheich der Jesiden, Scheich Nasr, die Vorlage für die Figur des Mir Scheik Khan; den Namen jedoch fand May bei [[Claudius James Rich]].</ref> Du weißt, daß der berühmte Tschömlekdschi [2) Töpfer] Rassat in Baazoni meinem Vater Hussein Bey eine Urne machte, welche einst seinen Staub aufnehmen soll, wenn es Zeit ist, ihn aus dem Mezar [3] Grab] zu entfernen, damit er nicht mit dem Mehle des Tabut [4) Sarg] vermengt und verunreinigt werde. Diese Kilja [5) Urne, Thongefäß] ist ein Meisterstück des berühmten Töpfers und wohl werth, die Überreste des Heiligen aufzunehmen. Sie steht in meinem Hause zu Baadri, und ich habe bereits Boten ausgesandt, sie herbeizuholen. Sie wird ankommen, noch ehe Ihr am Scheiterhaufen Eure Arbeit beendet habt.«''<ref>[[Karl May]]: ''[[Giölgeda padishanün]]. Reise=Erinnerungen aus dem Türkenreiche von Karl May.'' [[Deutscher Hausschatz]], [[Verlag Friedrich Pustet]], [[Regensburg]] [[1881]], S.&nbsp;696.</ref>
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==

Aktuelle Version vom 6. November 2021, 16:38 Uhr

Hussein Bey (stehend) mit seinem Bruder Abdi Bey im Jahr 1849
Hussein Bey im Jahr 1870

Hussein Bey (*1828; †1879),[1] ab dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts Hussein Beg transkribiert, war ein Mîr (Fürst) bzw. Mîr-i-Sheikhan (Fürst der Scheichs) der Jesiden.

Seit vielen Generationen wurden die Mîre von der Familiendynastie der Chol aus der Kaste der Scheichs gestellt, die ihre Abstammung auf Derwisch Adem, einen Jünger des von den Jesiden verehrten Heiligen Scheich ʿAdī ibn Musāfir al-Hakkārī aus dem 11. bis 12. Jahrhundert zurückführt. Als Begründer der eigentlichen Dynastie wird Scheich Mohammed al-Kurdi al-Arbili al-Batini genannt, der im 14. oder im frühen 17. Jahrhundert gelebt haben soll.[2]

Der Tradition nach war der Mîr weltlicher Führer aller Jesiden und höchste Instanz in religiösen Angelegenheiten. Er konnte sein Amt nur durch den Tod verlieren, und dann ging es auf seinen ältesten Sohn über.

In der Praxis lagen die Dinge jedoch nicht so einfach. Als absoluter Herrscher konnte der Mîr nur im Sheikhan (Land der Scheichs[3]), dem Kernland der Jesiden, agieren. Hier stand seine Residenz bei dem Dorf Baadri. In weiter von Baadri entfernten Regionen wie dem Dschabal Sindschar[4] war sein Einfluss Verhandlungssache. In religiösen Belangen gab es eine zweite höchste Autorität, den Baba Scheich aus einem anderen Clan in der Kaste der Scheichs, der für die Auslegung religiöser Fragen zuständig war.

Auch die Nachfolgeregelung war nicht als unumstößlich anerkannt; es gab innerhalb des Clans der Chol erbitterte Machtkämpfe zwischen Brüdern, zwischen Cousins oder zwischen Neffe und Onkel.[5] Weiterhin gab es Beispiele für Bestrebungen, einen Mîr abzusetzen und für die Aufteilung der säkularen und der religiösen Funktion auf zwei Söhne des verstorbenen Mîrs.

Hussein Beys Eltern waren Mîr Ali Bey (später genannt „der Große” oder „der Ältere”, um ihn von seinem gleichnamigen Enkel zu unterscheiden) und Neam Khatun.[6] Hussein Bey verlor seine Eltern, als er etwa vier Jahre alt war. Im Jahr 1832 machte Ali Bey einem verfeindeten kurdisch-muslimischen Stammesführer namens Ali Aga ein Versöhnungsangebot und lud ihn ein, karif, eine Art Pate, bei der Beschneidung seines Sohnes zu sein. Ali Aga fühlte sich geehrt und reiste in geringer Begleitung an. Ali Bey jedoch ließ seinen nichtsahnenden Gast töten. Im Detail weichen die Berichte über die folgenden Ereignisse voneinander ab, aber als gesichert kann gelten, dass Kör Muhammad Bey, der Emir der Soran-Kurden aus Rawanduz[7] Ali Bey gefangennahm und von ihm verlangte, zum Islam überzutreten. Als Ali Bey sich weigerte, enthauptete Muhammad ihn. Daraufhin ging Neam Khatun zu Muhammad unter dem Vorwand, den Leichnam ihres Mannes holen zu wollen, und versuchte, ihn mit einem Messer zu töten, um ihren Mann zu rächen. Muhammad wurde nur mäßig verletzt. Er war von dem Mut der Frau beeindruckt und ließ sie unbehelligt ziehen.[8] Sie begann, weiter auf Rache sinnend, die Jesiden zum Kampf gegen die Kurden aufzuwiegeln, was wiederum zu Folge hatte, dass mehrere kurdische Stämme unter der Führung derer von Botan unter Beder Khan Bey[9] und der Soran unter Muhammad einen aus ihrer Sicht recht erfolgreichen Vernichtungsfeldzug gegen die Jesiden ausführten. Zwar konnte Neam Khatun ihren Sohn Hussein Bey in dem kaum einnehmbaren Dschabal Sindschar in Sicherheit bringen, aber sie selbst wurde getötet, wie auch eine große Zahl anderer Jesiden.[10]

Weil Ali Beys Söhne noch kleine Kinder waren, konnte sich Jasim Bey, aus einem anderen Zweig der Familie stammend, als neuer Mîr durchsetzen.[11]

Wohl zwischen 1841 und 1843[12] kehrte Hussein Bey nach Sheikhan zurück und tötete Jasim Bey. Er wurde als der neue Mîr anerkannt; da er aber noch nicht volljährig war (nach herrschender Meinung war er zwischen 13 und 15 Jahre alt), wurde Scheich Nasr, der Baba Scheich der Jesiden, als sein Vormund bestimmt.[13]

Im Jahr 1846 erhielt der englische Archäologe Austen Henry Layard die Einladung, an dem jährlichen großen Fest der Jesiden in Lalisch teilzunehmen und traf in diesem Zusammenhang im Oktober 1846 mit Hussein Bey zusammen. Er beschreibt ihn auf eine recht vorteilhafte Weise:

Sobald ich mich dem Dorfe näherte, begegnete ich dem Hussein Bey, in dessen Begleitung ich die Priester und die vorzüglichsten Einwohner zu Fuß fand. Der Häuptling war etwa 18 Jahr alt und einer der schönsten jungen Männer, die ich je gesehen habe. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und zart, seine Augen hatten viel Lüstre und unter seinem bunten Turban flossen die langen rabenschwarzen Locken hervor. Ein weiter, weißer Mantel von feinem Gewebe war über sein reiches Jäckchen und seine Roben geworfen.[14]

In diesen Tagen, Anfang Oktober 1846, wurde der erste Sohn Hussein Beys geboren und Layard wird die Ehre zuteil, einen Namen für das Kind auszuwählen. Er entscheidet sich für „Ali Bey“, den Namen von Hussein Beys Vater, was allgemeine Zustimmung findet.

Bei Layards zweiten Besuch drei Jahre später klingen die Beschreibungen schon weniger wohlwollend. Er selbst schreibt, dass Hussein Bey hauptsächlich damit beschäftigt sei, auf die hübschesten seiner weiblichen Untertanen zu achten, anstatt sich um seine politischen Aufgaben zu kümmern. Layards Begleiter Dr. Sandwith sieht ihn als einen blassen, kränklichen Jugendlichen.

1850 bemerkt Maria Badger, die Frau eines englischen Missionars, eine starke Eifersucht zwischen Scheich Nasr und Hussein Bey und beschreibt letzteren als einen Jungspund,[15] der aber schon drei Frauen hat. Zwei Jahre später wird erstmals sein exzessiver Alkoholkonsum in Form von Rotwein und Arrak erwähnt. Die Zahl seiner Ehefrauen hatte sich auf fünf erhöht.

Da die Region zum Osmanischen Reich gehörte, bedurfte die Ernennung eines Mîrs der Jesiden der Zustimmung des Paschas von Mossul; und es gab auch Versuche seitens der Türken, einen Mîr durch einen anderen zu ersetzen. Ein solches Unterfangen erfolgte im Februar 1853. Der Pascha von Mossul, Helmy Pascha, erklärte Hussein Bey für abgesetzt und dessen Schwager Jasim Bey für den neuen Mîr.[16]

Von einer kleinen Kavallerie-Eskorte begleitet, brachte ein türkischer Beamter Jasim Bey zuerst zu Scheich Nasr nach Essian,[17] und Hussein Bey wurde auch dorthin zitiert. Als dieser nach etwas Zögern eintraf, erklärte er, dem Gouverneur dankbar zu sein, einen neuen Mîr eingesetzt zu haben, da sein Amt ihm große Schulden eingebracht habe. Dann entstand aber ein Streit über die Forderung, seine Residenz in Baadri zu räumen und Jasim Bey zu überlassen, in dessen Verlauf ein Anhänger Hussein Beys Jasim Bey erschoss, weil er sich respektlos gegenüber Hussein Bey geäußert habe. Hussein Bey floh mit seiner Familie in den Dschabal Sindschar, den er bereits aus seiner Kindheit kannte.

Im Oktober 1854 befand Hussein Bey sich wieder in seiner Funktion als Mîr, aber es ist nicht dokumentiert, wie es dazu kam. Es wird massive Bestechung vermutet.

Im Februar 1855 findet sich Hussein Bey mit einer Streitmacht von 2000 Reitern als Verbündeter der osmanischen Truppen im erfolgreichen Kampf gegen die kurdischen Kämpfer Yezdanshir Beys, eines Neffen von Beder Khan Bey und erklärten Todfeindes aller Jesiden, Juden und Christen.

Fünf Jahre später wird er, obwohl immer noch jung, als ein mürrischer, von übermäßigem Liebesleben — er war inzwischen siebenfach verheiratet — und Konsum hochprozentiger Getränke verbrauchter Charakter geschildert, der überdies sein Volk bei der Erhebung der Steuern für das Osmanische Reich betrog, indem er mehr Steuern einzog als er in Mossul abzuliefern hatte. Aus dem Jahr 1866 ist eine in die gleiche Richtung weisende Anekdote überliefert, nach der er die Moslems der Region schockierte, indem er während des Ramadan sturzbetrunken ausritt und dabei von seinem Maultier fiel und sich verletzte.

1872 konnte er seinen letzten größeren Erfolg erzielen. Er erreichte bei dem Provinzgouverneur Midhat Pascha, dass die Jesiden aus religiösen Gründen vom Dienst in der Armee befreit blieben, obwohl ein gegenteiliger Beschluss bereits gefasst worden war.

1875 wurde er mit der Begründung, einen Aufruhr im Dschabal Sindschar angestiftet zu haben, festgenommen und in Mossul unter Hausarrest gestellt. Sein jüngerer Bruder Abdi Bey übernahm seine Funktionen, sah sich aber bald mit der Rebellion zweier der sechs Söhne seines Bruders konfrontiert, Hadi Bey und Hasan Bey. Zwei andere Söhne, Ali Bey, über dessen Geburt Layard 29 Jahre zuvor berichtet hatte, und Mirza Bey, schlugen sich aber auf die Seite ihres Onkels und etwa nach einem Jahr war die Rebellion niedergeschlagen und die beiden Rebellen getötet. Als Hussein Bey in Mossul vom Tod seiner Söhne erfuhr, soll er gesagt haben: „Ich wünschte, sie hätten die Herrschaft gewonnen, anstatt ihr Leben zu verlieren.

Einen letzten kurzen Blick auf Hussein Bey gibt uns die Notiz eines deutschen Reisenden aus dem Dezember 1875:

Unheimlicher als die Erscheinung dieses Raubtieres war mir die des Scheiks der Yezidis, Hissén Beg, zu dem mich der Sohn meines Wirtes führte. In einem großen kalten Raume eines alten finsteren Hauses lag er, krank wie es schien, auf seinem Bette. Einen Bruder und zwei Vettern hat er ermordet,[18] um zu der Würde zu gelangen. Das böse Gewissen, die Angst vor der rächenden Nemesis leuchtete unheimlich aus seinen Augen, und, wie mir mein Begleiter sagte, umgibt ihn ein solcher Haß seiner Familie und Glaubensgenossen, daß er den Mörder täglich erwarten kann. In Trunk und Wollust soll er seine wüsten Tage verbringen. Sein Harem zählt vier Weiber. Seine eigentliche Residenz ist Scheikh Adi, östlich von hier im Gebirge.[19]

1878, nach drei Jahren, wurde Hussein Bey wieder entlassen, aber seine Kompetenzen wurden beschnitten. Die Macht über Leben und Tod wurde ihm genommen; es wurde ein osmanischer Beamter in Baadri eingesetzt, und Kriminalfälle wurden vor ordentlichen Gerichten verhandelt. Vom Alkohol zugrunde gerichtet, starb er 1879 im Alter von 50 Jahren.

Hussein Bey hatte sechs Söhne: Ali, Badih, Mirza, Suleiman, Hadi und Hasan. Sein Nachfolger wurde zunächst sein dritter Sohn Mirza Bey und erst nach dessen Tod der Erstgeborene, Ali Bey. Danach ging die Würde des Mîr bis heute immer vom Vater auf den Sohn über. Ali Begs Sohn Mîr Said Beg starb im Jahr 1944 und sein Enkel Mîr Tahsin Said Beg erst 2019 im deutschen Exil. Bereits 2018 trat dessen Sohn, Hussein Beys Ur-Urenkel Hazim Tahsin Said Beg, seine Nachfolge als Mîr der Jesiden an.

bei Karl May[Bearbeiten]

Werke mit
Hussein Bey
KBN2.jpg Bild2.jpg OS19.jpg

Durchs wilde Kurdistan (nur erwähnt)

Bei dem in Kurdistan spielenden Teil des „Orientzyklus“ — also dem Ende des ersten Bandes „Durch die Wüste“, dem gesamten zweiten Band „Durchs wilde Kurdistan“ und den ersten Seiten des dritten Bandes „Von Bagdad nach Stambul“ — stützt Karl May sich beim geografischen und historischen Rahmen fast ausschließlich auf Austen Henry Layards Werk „Niniveh und seine Ueberreste“. Die dort enthaltenen Angaben über Hussein Bey setzt er in seine einige Jahrzehnte später angesiedelte Erzählung um, indem er dem Anführer der Jesiden den Namen des 1846 geborenen Ali Bey gibt, aber dessen Äußeres von Hussein Bey übernimmt:'[20]

[Er war ein] junger Mann von sehr schöner Gestalt. Er war hoch und schlank gewachsen, hatte regelmäßige Gesichtszüge und ein Paar Augen, deren Feuer überraschend war. Er trug eine fein gestickte Hose, ein reiches Jäckchen und einen Turban, unter welchem eine Fülle der prächtigsten Locken hervorquoll.[21]

Aber auch Hussein Bey selbst wird genannt, als der Vater von Ali Bey im Zusammenhang mit der Bestattung von Pir Kamek:

Auf eine darauf bezügliche Frage zeigte der Bey, daß er auch bereits an diesen Umstand gedacht habe.
»Mir Scheik Khan,[22] Du weißt, daß der berühmte Tschömlekdschi [2) Töpfer] Rassat in Baazoni meinem Vater Hussein Bey eine Urne machte, welche einst seinen Staub aufnehmen soll, wenn es Zeit ist, ihn aus dem Mezar [3] Grab] zu entfernen, damit er nicht mit dem Mehle des Tabut [4) Sarg] vermengt und verunreinigt werde. Diese Kilja [5) Urne, Thongefäß] ist ein Meisterstück des berühmten Töpfers und wohl werth, die Überreste des Heiligen aufzunehmen. Sie steht in meinem Hause zu Baadri, und ich habe bereits Boten ausgesandt, sie herbeizuholen. Sie wird ankommen, noch ehe Ihr am Scheiterhaufen Eure Arbeit beendet habt.«[23]

Literatur[Bearbeiten]

  • Ainsworth, William Francis: The Assyrian Origin of the Izedis or Yezidis — the so-called "Devil Worshippers". In: Transactions of the Ethnological Society of London. Vol. I. New Series., John Murray, London 1861.
  • Fuccaro, Nelida: Aspects of the social and political history of the Yazidi enclave of Jabal Sinjar (Iraq) under the British mandate, 1919-1932 Durham theses, Durham University, 1994.
  • Guest, John S.: Survival among the Kurds: A History of the Yezidis Routledge, Abingdon-on-Thames 2010.
  • Heard, W. B.: Notes on the Yezidis. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland Vol. 41, London 1911.
  • Layard, Austen Henry: Niniveh und seine Ueberreste, Neue wohlfeile Ausgabe, Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1854.
  • Mingana, Alphonse: Devil-Worshippers: Their Beliefs and Their Sacred Books In: The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland July 1916, London 1916.
  • Parry, Oswald H.: Six Months in a Syrian Monastery Horace Cox, London 1895.
  • Siouffi, Nicolas: Notice sur la secte des Yézidis In: Journal Asiatique, septième série, tome XX, Société Asiatique, Paris 1882.
  • Wigram, William Ainger & Wigram, Edgar Thomas Ainger: The Cradle of Mankind; Life in Eastern Kurdistan A&C Black Ltd., London 1922.
  • Informationen zu Figuren in Karl Mays Werken finden Sie auch im Karl May Figurenlexikon.
    Die zweite Auflage dieses Werkes finden Sie online auf den Seiten der KMG.


Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Über Hussein Beys Geburt fehlen Berichte. Dass dennoch in der Literatur übereinstimmend das Geburtsjahr 1828 angegeben ist, ist offenbar darauf zurückzuführen, dass Austen Henry Layard sein Alter im Jahr 1846 auf 18 Jahre geschätzt hat, und ist dementsprechend um einige Jahre unsicher.
    Überhaupt fehlt es an einer zuverlässigen Geschichtsschreibung. Die überlieferten Angaben sind lückenhaft, oft von Interessen beeinflusst oder auf Vermutungen basierend und widersprechen einander häufig.
  2. Bei elf Generationen vor Hussein Bey ergäbe das rund 40 Jahre je Generation für das 14. Jahrhundert. Das erscheint angesichts der Tatsache, dass in der Regel der erstgeborene Sohn seinem Vater nachfolgt und dass die meisten Mîre eines gewaltsamen Todes starben, deutlich zu viel.
  3. Mit „Scheich” sind hier Mitglieder der jesidischen Kaste der Scheichs gemeint.
  4. Von Karl May des öfteren als Dschebel Sindschar oder der Sindschar erwähnt.
  5. Es ging dabei um erhebliche Geldsummen, denn dem Mîr stand die Herrschaft über die Spenden der Gläubigen zu, die reichlich zu fließen pflegten.
  6. Khatun entspricht bei Frauen dem Bey bei den Männern.
  7. Der kurdische Stamm der Soran kommt in Karl Mays Werk vor, ebenso wie die Stadt Rawanduz; von ihm entsprechend der ihm vorliegenden Karte „Rowandiz” genannt.
  8. Diese Episode ist der Grund, aus dem Neam Khatuns Name überliefert ist. Mit einer einzigen weiteren Ausnahme ist in der Geschichte der Jesiden bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts weder von Müttern noch von Ehefrauen noch von Töchtern die Rede. Der Begriff des Halbbruders ist nicht zu finden; es spielte bei den Söhnen eines Vaters offenbar keine Rolle, welche der Ehefrauen ihres Vaters ihre Mutter war. Auch bei Ali Bey ist nicht überliefert, ob Neam Khatun seine einzige Frau war.
  9. Beder Khan Bey wird von May in „Durchs wilde Kurdistan“ mehrfach genannt, als „Teufel” und als Mörder der assyrischen Christen.
  10. Auf welche Weise Hussein Beys jüngerer Bruder Abdi Bey überlebte, ist nicht überliefert; es wird nur berichtet, dass Neam Khatun ihren Sohn Hussein Bey rettete. Möglicherweise stammte Abdi Bey von einer anderen Mutter.
  11. Jasim Beys Ansprüche waren gut begründet; sein Vater Salih Bey war ab etwa 1810 der Vorgänger Ali Beys.
  12. In diesen Jahren beschreiben Besucher den jeweils amtierenden Mîr, ohne seinen Namen zu nennen; und es handelt sich offenbar um zwei unterschiedliche Personen. Die zweite Beschreibung könnte auf Hussein Bey zutreffen.
  13. Scheich Nasr behielt seinen Einfluss bis zu seinem Tod im Jahr 1889, auch unter Hussein Beys Nachfolgern Abdi Bey und Mirza Bey; jeder Besucher eines Mîrs erwähnt auch die Anwesenheit Scheich Nasrs.
  14. Layard, Austen Henry: Niniveh und seine Ueberreste, Neue wohlfeile Ausgabe, Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1854, S. 145-146.
  15. auf Englisch: stripling.
  16. Dieser Jasim Bey bleibt etwas rätselhaft. Zwar muss er zur Chol-Dynastie gehört haben, sonst hätte er nicht Hussein Beys Schwager sein können (es durfte nur innerhalb der Dynastie geheiratet werden), aber es handelt sich offenbar nicht um denselben Jasim Bey, der schon als Mîr auf Ali Bey folgte und — bei der Quellenlage muss man sagen: angeblich — von Hussein Bey getötet wurde. Er wird als junger Mann beschrieben, der keinerlei Rückhalt bei den Jesiden hatte.
  17. Dieses Dorf liegt drei Kilometer östlich von Baadri.
  18. Diese Behauptung ist nicht ganz nachvollziehbar. Es ist nur ein Bruder Hussein Beys bekannt: Abdi Bey; und dieser hat Hussein Bey überlebt.
    Der Begriff „Vetter” kann im erweiterten Sinne auch entferntere Verwandte umfassen, dann wären wohl die beiden Jasim Bey gemeint, von denen er einen tatsächlich getötet hat, während der andere nur in seinem Beisein getötet wurde.
  19. Pauly, Gustav: Von Hösn Kefa am Tigris bis Bagdad. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Lübeck. Heft 12, Dittmer’sche Buchhandlung, Lübeck 1889, S. 106.
  20. Franz Kandolf: Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards (Ein Blick in die Werkstätte eines Schriftstellers). In: Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hsg.): Karl Mays Orientzyklus. Igel Verlag Wissenschaft, Paderborn 1991, ISBN 3-927104-19-1, S. 198.
  21. Karl May: Durch die Wüste. Gesammelte Reiseerzählungen, Band 1, Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg 1892, S. 140.
  22. Laut Franz Kandolf war der von Layard beschriebene Baba Scheich der Jesiden, Scheich Nasr, die Vorlage für die Figur des Mir Scheik Khan; den Namen jedoch fand May bei Claudius James Rich.
  23. Karl May: Giölgeda padishanün. Reise=Erinnerungen aus dem Türkenreiche von Karl May. Deutscher Hausschatz, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1881, S. 696.