Onanie-Affäre: Unterschied zwischen den Versionen

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Für lange Zeit blieb so [[Arno Schmidt]]s Äußerung über "''die unvergleichliche Chance solch pubertär-überhitzter ''[im Internat]'' Halbeingesperrter ''[…]'', sich entweder zum Langstrecken-Onanisten heranzubilden, oder aber ein solides homo-S-Fundament zu legen"''<ref>Arno Schmidt: ''[[Sitara und der Weg dorthin]]'', §31. Bekanntlich gab Schmidt dort der zweiten Variante den Vorzug.</ref>
 
Für lange Zeit blieb so [[Arno Schmidt]]s Äußerung über "''die unvergleichliche Chance solch pubertär-überhitzter ''[im Internat]'' Halbeingesperrter ''[…]'', sich entweder zum Langstrecken-Onanisten heranzubilden, oder aber ein solides homo-S-Fundament zu legen"''<ref>Arno Schmidt: ''[[Sitara und der Weg dorthin]]'', §31. Bekanntlich gab Schmidt dort der zweiten Variante den Vorzug.</ref>
 
die einzig veröffentlichte, die auf die Affäre hindeuten könnte.<ref>Graf: ''Lektüre und Onanie.'', S. 144, wo Arno Schmidt attestiert wird, dass er offenbar mehr gewusst habe, als er schreiben wollte.</ref>
 
die einzig veröffentlichte, die auf die Affäre hindeuten könnte.<ref>Graf: ''Lektüre und Onanie.'', S. 144, wo Arno Schmidt attestiert wird, dass er offenbar mehr gewusst habe, als er schreiben wollte.</ref>
Erstmals weithin zugänglich dokumentiert wurde die Onanie-Affäre erst in [[Andreas Graf]]s Jahrbuchbeitrag.
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Erstmals weithin zugänglich diskutiert wurde die Onanie-Affäre erst in [[Andreas Graf]]s Jahrbuchbeitrag.
  
 
== Anmerkungen ==
 
== Anmerkungen ==

Aktuelle Version vom 3. Februar 2019, 10:39 Uhr

Die Onanie-Affäre ereignete sich 1860 am "Vogtländischen Schul-Lehrer-Seminar" in Plauen, während auch Karl May das Seminar besuchte.

Auslöser[Bearbeiten]

Auslöser war der Artikel Das Internat in öffentlichen Schulanstalten von medicinpolizeilichem Standpunkte aus betrachtet des Bezirksarztes Dr. med. Emil Richard Pfaff im dritten Heft des zweiten Jahrgangs der Monatsschrift für exacte Forschung auf dem Gebiete der Sanitäts-Polizei.

Darin führte Pfaff unter anderem aus, dass es gegen Internate auch deshalb Bedenken gebe, da durch das enge Beisammenwohnen junger Leute sexuelle Verirrungen leicht einreissen könne. Pfaff spricht zwar in seinem Beitrag nicht offen von Onanie, sondern umreißt den Begriff nur verklausuliert, für die Leser war der Sinn seiner Worte aber eindeutig zu erkennen. Pfaff stützte sich bei seinen Ausführungen auf die Aussagen eines Zeugen, der ihm einen Einblick in das innere Wesen der Anstalt gegeben habe.[1] Zudem hatte der Bezirksarzt einen weiteren Seminaristen befragt, der ihm eine Liste der Onanisten anfertigte. Insgesamt habe es am Seminar demzufolge 24 wirkliche und 17 mutmaßliche der Onanie verfallene Seminaristen gegeben. [2]

Untersuchung[Bearbeiten]

Zur Klärung der Angelegenheit fuhr der Zwickauer Kirchen- und Schulrat Gotthilf Ferdinand Döhner am 26. August 1860 nach Plauen. Dort besprach er sich zunächst mit Seminardirektor Johann Gottfried Wild, am folgenden Tag mit dem Bezirksarzt Dr. Pfaff, der ihm die Tabelle der Onanisten vorlegte und einen Brief eines Proseminaristen zeigte, in dem dieser die Zustände bezüglich der Onanie schildert. Gemeinsam mit Vizedirektor August Wilhelm Kühn nahm Döhner eine Untersuchung der Betten im Schlafsaal des Seminars vor. Dabei wurden 3 derselben befleckt vorgefunden. [3]

Bei einer Konferenz der Seminarlehrer teilte Döhner seine Erkenntnisse mit, wobei die Plauener Pädagogen sich verwundert und erstaunt über die Mitteilungen zeigten. Döhner befragte im Folgenden einen Seminaristen der zweiten Klasse, Sparschuh, der gegenüber dem Kirchen- und Schulrat aussagt, dass rund die Hälfte der Seminaristen der Onanie verfallen seien. [4]

Döhner verfasste in der Folge einen Bericht an die Kreisdirektion, in dem er unter anderem davon abrät, dass gegen die betroffenen Schüler strafend oder inquisitorisch vorgegangen wird. Dieser Bericht wurde gemeinsam mit dem Artikel von Dr. Pfaff und einer von Oberlehrer Kühn erstellten Statistik an das Kultusministerium gesandt.[5] Dessen Antwort erfolgt am 10. Oktober, ist aber nicht überliefert.[6]

Oberlehrer Kühn kam in seinen weiteren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass 29 Seminaristen und zwölf Proseminaristen der Onanie verfallen seien.[7]

Die Vorfälle wurden von Seminardirektor Wild auch in seinen Jahresbericht aufgenommen.

Karl May[Bearbeiten]

Laut der Statistik des Oberlehrers Kühn gehörten 29 Seminaristen zu denjenigen, die längere oder kürzere Zeit sich befleckt haben. Zwölf von diesen seien dem Laster laut Kühns Untersuchungen zufolge schon vor ihrer Aufnahme am Plauener Seminar vefallen gewesen, darunter auch einer, der es aus der Schule zu Ernstthal u. dem Seminar zu Waldenburg mitgebracht habe. Bei diesem kann es sich nur um Karl May gehandelt haben, da es keinen weiteren Schüler am Seminar gab, der aus Ernstthal stammte und das Waldenburger Seminar besucht hatte.[8]

Nachwirkungen[Bearbeiten]

Die Ereignisse hatten einen bleibenden Eindruck auf Karl May; naturgemäß besonders bei seiner Einstellung zur Sexualität, die er in seiner Schrift Ein wohlgemeintes Wort und – ausführlicher, wenn auch nebenbei – in der Pollmer-Studie hinterließ.[9] Das erste Kapitel des Romans "Weihnacht!" kann als Spiegelung der Affäre interpretiert werden.[10]

Rezeption[Bearbeiten]

Die Plauener Akte zur Affäre wurde zuerst von Hainer Plaul wiedergefunden, und ihr Inhalt war spätestens 1965 weiteren Forschern bekannt.[11] Der großen Mehrheit der May-Forscher blieben diese Ereignisse aber unbekannt, da sie scheinbar bestenfalls privat weitergegeben wurden.[12] Für lange Zeit blieb so Arno Schmidts Äußerung über "die unvergleichliche Chance solch pubertär-überhitzter [im Internat] Halbeingesperrter […], sich entweder zum Langstrecken-Onanisten heranzubilden, oder aber ein solides homo-S-Fundament zu legen"[13] die einzig veröffentlichte, die auf die Affäre hindeuten könnte.[14] Erstmals weithin zugänglich diskutiert wurde die Onanie-Affäre erst in Andreas Grafs Jahrbuchbeitrag.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Graf: Lektüre und Onanie., S. 87.
  2. Graf: Lektüre und Onanie., S. 88 f.
  3. Graf: Lektüre und Onanie., S. 89.
  4. Graf: Lektüre und Onanie., S. 89.
  5. Graf: Lektüre und Onanie., S. 90.
  6. Graf: Lektüre und Onanie., S. 91.
  7. Graf: Lektüre und Onanie., S. 91 f.
  8. Graf: Lektüre und Onanie., S. 91.
  9. Graf: Lektüre und Onanie., S. 96-97, 109-111.
  10. Graf: Lektüre und Onanie., S. 97-109.
  11. Graf: Lektüre und Onanie., S. 104 und Endnoten 31, 145.
  12. vgl. den Briefwechsel Walther Ilmer, Günter Scholdt: Über Karl-May-Forschung und Gesellschaft. Ein Meinungsaustausch, in Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 77, S. 29 (dort wird die Affäre fälschlicherweise mit dem Waldenburger Kerzendiebstahl vermischt).
  13. Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin, §31. Bekanntlich gab Schmidt dort der zweiten Variante den Vorzug.
  14. Graf: Lektüre und Onanie., S. 144, wo Arno Schmidt attestiert wird, dass er offenbar mehr gewusst habe, als er schreiben wollte.

Literatur[Bearbeiten]