Schijit

Aus Karl-May-Wiki
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die meistbenutzt Route zwischen Damaskus und Baalbek, mit richtiger Lage von Al-Nabi Shayth (Nebi Shays)

Al-Nabi Shayth (arabisch: النبي شيت, alternative Schreibweisen an-Nabī Šayṯ, an-Nabī Schaith, an-Nabī Shayth, An Nabī Shīt, En Nabi Chît oder Nabi Chit) ist eine Stadt im Libanon. Sie liegt im Distrikt Baalbek des Gouvernorats Baalbek-Hermel, am Westhang des Antilibanon, und hat gut fünzehntausend Einwohner. Wegen seiner Lage unmittelbar am Fuße des Gebirges wird der Ort dem Bekaa-Tal, auch Bekaa-Ebene genannt, zugeordnet. Die Entfernung zur nordöstlich liegenden Distriktshauptstadt Baalbek beträgt 17 km, die zur auf dem Antilibanon verlaufenden syrischen Grenze 4 km.

Der Name der Stadt bedeutet Der Prophet Seth. Nach den im Judentum, im Christentum und im Islam übereinstimmenden Überlieferungen war Seth der dritte Sohn von Adam und Eva und ein Urahn von Noah; demnach also ein Urahn der gesamten Menschheit. Der Ort erhielt seinen Namen, weil sich Seths Grab hier befinden soll. Es gibt jedoch auch andere Orte, die diesen Anspruch erheben. Eine der frühesten Erwähnungen des Grabmals des Propheten Seth an diesem Ort findet sich bei Scheikh Ali bin Abi Bakr al-Harawi, der im Jahr 1203 oder 1204 u. Z. gestorben ist.[1]

Im achtzehnten, vor allem aber im neunzehnten Jahrhundert erlangte Al-Nabi Shayth einige Bekanntheit in Europa. Im Zuge des Interesses am 'Heiligen Land' und den Überresten antiker Stätten verkehrten zahlreiche abendländische Wissenschaftler und Reisende zwischen Damaskus und Baalbek, und die am häufigsten benutzte Route führte über Al-Nabi Shayth. Dementsprechend häufig wurde der Ort, damals ein Dorf, samt dem 'Grab Seths' in Reisebeschreibungen genannt, wenn auch unter sehr wechselnden Namen wie Nabí Shays, Nabi Shit, Nebbi Schjit, Nebe Sheet, Nebi Schai, Nebi Schit, Nebi Shit, Nebi Shiit, Neby Schît oder Neby Sejjit.

Der Ort selbst erfuhr dabei nur geringe Aufmerksamkeit, wir erfahren kaum mehr, als dass es ein großes, am Hang des Antlibanon gelegenes, von schiitischen Moslems bewohntes[2] Dorf war.

bei Karl May

Schijit
im Werk Karl Mays
Weltkarte1911.jpg

Von Bagdad nach Stambul

Karte mit falscher Lage von Nebi Schiit, auf der Mays Wegebeschreibung beruht

Im Orientzyklus nimmt Kara Ben Nemsi nach einem kurzen Aufenthalt in Damaskus zusammen mit Halef, Jacub Afarah und den Dienern Sir David Lindsays, Bill und Fred die Verfolgung des Abrahim Mamur auf, der Jacub Afarah Juwelen von großem Wert gestohlen hat.
Sie brechen noch am Abend nach dem Diebstahls auf und reiten die ganze Nacht durch.
Bei Es Suk erfahren sie, dass es sich bei dem Engländer, dem Abrahim Mamur sich als Dolmetscher verdingt hat, um den bei Bagdad aus den Augen verlorenen und totgeglaubten Sir David Lindsay handelt.
In Sebdani dann sind die Pferde so erschöpft, dass bereits mitten am Tag das Nachtlager aufgeschlagen werden muss und die Verfolgung erst am nächsten Tag weitergehen kann.

Kaum graute der Morgen des nächsten Tages, so saßen wir wieder auf. Wir ließen die Weinstöcke und Maulbeerbäume Sebdanis hinter uns, um Schijit zu erreichen. Der Dolmetscher hatte, wie mir die Sängerin berichtete, von einem Olivenölgeschäfte nach Beirut gesprochen. Das Olivenölgeschäft war natürlich nur eine Lüge, aber Beirut mußte doch sein Ziel gewesen sein, da er ja in Beziehung auf das letztere dem Briten die Wahrheit sagen mußte. Warum er aber diesen Weg hier eingeschlagen und die eigentliche Straße von Damaskus nach Beirut vermieden hatte, das ließ sich leicht erklären. Seine Sicherheit erforderte es.
Mit dem Dorfe Schijit erreichten wir die Quellen des Barrada, welche sehr hoch liegen. In dem Orte fanden wir die Aussage des Sebdanianer Boten bestätigt und ritten Sorheïr entgegen. Der Weg führte abwärts, und dabei zeigte es sich, daß unsere Khawassen schlecht beritten waren.
[3]

Wie schon an anderer Stelle[4] nachgewiesen, stützt May sich in dieser Episode des Orientzyklus wesentlich, möglicherweise ausschließlich, auf eine Reisebeschreibung Russeggers[5], die er besessen hat.

Die vorstehende Textpassage macht das besonders deutlich, denn in ihr hat May gleich zwei Fehler Russeggers übernommen.

Grob falsch ist die Lage von Al-Nabi Shayth (Nebbi Schjit bei Russegger, Nebi Schiit in der von Russegger verwendeten Karte[6], Schijit bei May).
Russegger schreibt:

Der Weg stieg von unserm Nachtlager wieder fortwährend an, und die Quellen des Bárrada, des bedeutendsten der 8 Flüsse, welche die paradiesischen Gärten von Damaskus bewässern, scheinen mir bedeutend höher zu liegen als das Joch des westlichen Randes des Antilibanon, über das wir gestern gekommen waren. Wir liessen diese Quellen, Ain el Hawra Ajun tut genannt, am Dorfe Nebbi Schjit dicht an unserer Route liegen und betraten bald darauf das herrliche Thal von Sebdäni, Ardt el Sebdäni, das schönste Thal des Antilibanon[7].

Es wird klar, das Russegger das Dorf gar nicht gesehen hat, sondern er hat es der auf seiner Reise verwendeten und immer wieder von ihm erwähnten Karte von Berghaus entnommen. Wie Ritter feststellte, ist diese Karte "sehr fehlerhaft".[8] Der Ort lag vielmehr nach übereinstimmender Angabe durch alle anderen Reisenden zwar auf dem Weg nach Baalbek, aber erheblich weiter von Damaskus entfernt; erst jenseits des Antilibanon auf dessen Westseite, also dort, wo heute noch Al-Nabi Shayth liegt.[9]

Zur Rekonstruktion der Route, die May sich für seine Helden ausgedacht hat, muss also der Ortsname Schijit durch Ain Hawr ersetzt werden. Ain Hawr ist ein Dorf von knapp zweitausend Einwohnern, das ungefähr mittig zwischen Sebdani, dem vorigen Punkt der Route, und Sorheïr, dem folgenden Punkt, liegt. Hier befindet sich tatsächlich eine der Quellen des Barada, nach der das Dorf auch benannt ist.

Der zweite Fehler liegt in Russeggers Angabe "Der Weg stieg (...) fortwährend an". Er kam von Baalbek, also dem Einzugsgebiet des Mittelmeeres, in dem alle Flüsse diesem zustreben. Der Barada jedoch gehört zum Einzugsgebiet des Roten Meeres. Nach Russegger müssten seine Quellen also, was eine Unmöglichkeit ist, gerade auf der höchsten Stelle, der Wasserscheide liegen. Tatsächlich liegt die Wasserscheide wesentlich weiter nördlich, nämlich beim Dorf Serghaya (Sorcheia bei Russegger, Sorheïr bei May), an dem er einige Zeit zuvor vorüber gekommen war. Es gibt also von Serghaya nach Ain Hawr statt eines Anstiegs ein Gefälle. Dieses beträgt aber nur wenige Meter pro Kilometer, so dass Russegger es kaum hätte feststellen können.
Da Mays Wegbeschreibung in die umgekehrte Richtung führt, setzt er Russeggers Angabe des Anstiegs folgerichtig, aber ebenso falsch in "Der Weg führte abwärts" um.

Anmerkungen

  1. Flügel, Gustav: Einige geographische und ethnographische Handschriften der Refaîja auf der Universitätsbibliothek zu Leipzig. In: Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft, Sechzehnter Band, Brockhaus, Leipzig 1862, S. 654.
  2. Diese Angabe ist nicht ganz uninteressant in einer Region, in der Sunniten, Schiiten, Maroniten, Drusen oder Katholiken jeweils in eigenen Dörfern lebten und in der sich die Religionen nur in größeren Orten mischten.
  3. Karl May: Von Bagdad nach Stambul Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg 1892, S. 403-404.
  4. siehe Artikel Kubbet en Nassr, Dümar oder Sebdani
  5. Russegger, Joseph: Reisen in Europa, Asien und Afrika. Erster Band. Zweiter Theil E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1843.
  6. H.Berghaus: Karte von Syrien, Justus Perthes, Gotha 1835
  7. Russegger, S. 721 - Russegger hat diese Strecke in umgekehrter Richtung bereist
  8. Ritter, Carl: Vergleichende Erdkunde der Sinai-Halbinsel, von Palästina und Syrien. Vierter Band. Zweite Abtheilung. G. Reimer, Berlin 1855, S. 1274.
  9. Zur Qualität der damaligen Karten siehe Abschnitt Geografische Aspekte im Artikel Orientzyklus