Wo? (Gedicht)

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Wo? ist ein Gedicht von Karl May.

Text

          Wo?
Wo liegt dein Heil? Liegt es in deinem Leibe,
  Für den du dich und tausend Andre plagst?
Denkst du, daß er dein Mittelpunkt verbleibe,
  Um den du dich im Kreise treibst und jagst?
Du widmest ihm fast jeden der Gedanken,
Und deine Pläne, deine Wünsche ranken
  Sich nur um dieses theure Götzenbild,
  Das dir als Krone aller Schöpfung gilt.
Schau dir ihn an! Sieh krank und siech ihn liegen
  Zu seiner eignen und des Nächsten Pein!
Der winzigste Bacill kann ihn besiegen,
  Der kleinste Fehltritt ihm verderblich sein.
Betrachtest du sein Kommen und sein Gehen,
So wirst du's nicht begreifen, nicht verstehen,
  Daß dieser Schwächling dir als fester Halt
  Für deinen Geist, für deine Seele galt.
Nun denke nach! Er selbst wird ja gehalten
  Anstatt daß er zu stützen je verstand:
Die Liebe will das Kind zum Mann gestalten;
  Sie thut es freundlich durch die Elternhand.
Die Gattenliebe führt ihn dann durchs Leben,
Um Festigung und Reife ihm zu geben,
  Und wenn er scheiden geht, sagt ihm das Weh
  Der Liebe seiner Kinder noch Ade.
Weißt du es nun? Es geht und strahlt die Liebe
  Für alle Welt von Gottes Himmel aus,
Und ob sie lange, ob sie kurz nur bliebe,
  Sie kommt und weilt und wirkt in jedem Haus.
Sie ist die einzge Stütze jedes Lebens;
Ein Leben ohne Liebe ist vergebens,
  Denn wo sie fehlt, da flieht das innre Glück,
  Und dann bleibt freilich nur der Leib zurück.
Wo liegt dein Heil? O, laß dich doch belehren;
  Die Leibessorge bietet dir es nicht,
Du hast fortan nach innen dich zu kehren,
  Wo Gott durch deine Seele zu dir spricht.
Und diese Stimme wird auf deine Fragen
Dir jederzeit die rechte Antwort sagen.
  Nur sie, nur sie verkündet dir dein Heil,
  Und folgst du ihr, so wird es dir zu theil.[1]

Textgeschichte

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[2] In dieser Ausgabe ist das Gedicht auf den Seiten 247 bis 249 enthalten. Der auf der folgenden Seite abgedruckte Aphorismus lautet:

Hast du schon einmal das reine, selbstlose Glück empfunden, welches aus dem wahren, freudigen Gehorsam fließt? Dann, aber auch nur dann hast du mit Seligkeit gefühlt, daß das, was du ihm aufopferst, für dich und Andere einen Werth besitzt. Und diese unschätzbare Belohnung ist es, welche dem Gehorsam schon und blos aus sich selbst erwächst.[3]

aktuelle Ausgaben

Anmerkungen

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. 247–249.
  2. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  3. Karl May: Himmelsgedanken, S. 250.

Weblinks