Vom Matrosen zum Romancier

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Unter dem Titel Vom Matrosen zum Romancier wurden am 26. November 1903 Auszüge aus einem Brief Robert Krafts an den Redakteur Emil Kuh in Neues Wiener Tagblatt abgedruckt.

Text[Bearbeiten]

(Vom Matrosen zum Romancier.) In der Literaturrubrik dieses Blattes ist jüngst von einem Reise- und Abenteurerroman "E i n m o d e r n e r L e d e r s t r u m p f" die Rede gewesen und ausgeführt worden, daß dieses Werk weit mehr von der natürlichen Begabung und Phntasie des Autors Zeugnis gebe als von dessen literarisch-akademischer Schulung. Sowie es Naturpfeifer gebe, wurde gesagt, so sei auch dieser Autor — Robert Kraft ist sein Name — ein Naturromancier. Und dabei wurde noch bemerkt, daß dieser Name in keinem Literatur Literaturkalender ­zu finden sei. An den Berfasier jenes Artikels sendet nun Herr Robert Kraft, 69. Wiverton Read Sydenham, London, T. E., einen frischen, temperamentvollen Brief, in dem er sich als Verfasser von sechs ausgewachsenen Romanen vorstellt und scherzhaft ssiner Bekümmernis Ausdruck gibt, noch nicht im Literaturkalcndcr zu stehen. "Da schreibe ich nun seit zehn Jahren Tag für Tag, von der Morgenröte an bis tief in die Nacht hinein, ich habe mir schon die Finger ganz kurz geschrieben, und ich stehe immer noch nicht im Literaturkalender!? Ich habe für eine große Familie, eine Frau, zwei Kinder, acht Hunde, drei Katzen, fünf Vögel und last not least eine Schild Schildkröte ­zu sorgen — für alle diese Geschöpfe muß ich Futter und Hauszins herbeischaffen, und das tue ich nur durch meine Feder." Herr Kraft erzählt dann weiter naiv, ungeniert, flott, wie es eben nur ein Naturpfeifer im stande ist, wie er von den Verlegern mit Briefen überschwemmt werde, Seeräuber- und andere Schauergeschichten zu schreiben, Romane mit psychologischer Vertiefung, Bücher für die Frauenwelt, Studien über Lebemänner u. s w., und daß er dies alles besorge mit der Promptheit eines Exporteurs. Lachend gibt Herr Kraft diese Einleitung zu einer autobiographischen Skizze und bescheiden frägt er an, ob man aus diesem Lachen nicht auch etwas W e h m u t heraushöre? Dann reagiert er auf die Vergleichung zwschen Naturromancier und Naturpfeifer und bemerkt: "Heute vor e l f J a h r e n w a r i c h n o c h e i n M a t r o s e, nicht etwa zur höheren Karriere bestimmt, sondern ein ganz gewöhnlicher ­Arbeiter, wäre es immer geblieben. Da hörte ich zu zufällig ­einmal, daß solche Romane und Geschichten, wie sie immer in den Zeitungen stehen, so gut bezahlt werden . . . Ach, denke ich, dat kannst de ok . . . und ich schreibe los, einen Seemannsroman, schicke ihn ab, gehe noch einmal auf die Reise, und wie ich zurückkomme, liegen für mich 3 0 0 0 M a r k d a! Und ich hatte mich noch n i e u m L i t e r a t u r gekümmert, wußte nichts von Spielhagen, Heyse, Freytag u. s. w. Na ja, gelesen hatte ich, was mir unter die Finger kam, heute die „Goldelse", morgen den „Schinderhannes", und richtig, schreiben konnte ich, und ich war ein pfiffiger Junge. Meine Bekanntschaft mit den nordamerikanischen Bärenfellen ist auch noch viel intimer, als Sie annehmen; verauktioniert habe ich sie nicht, aber g e t r e t e n, g e g e r b t mit den Füßen, als es einmal mit der Seefahrt nicht ging und der Hunger an die Tür klopfte . . ." Wir aber wiederholen unsere neulich aus ausgesprochene ­Mutmaßung, daß dieser literariscbe Selfmademan ­eines Tages die Zünftler von der hohen Aesthetik vielleicht noch beschäftigen werde.

Hintergrund[Bearbeiten]

Robert Kraft hatte mit seinem Brief auf eine Besprechung des Romans Ein moderner Lederstrumpf durch Emil Kuh in Neues Wiener Tagblatt vom 9. November 1903 reagiert.