Das große Lehrgedicht (Gedicht)

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Das große Lehrgedicht ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

in Das Buch der Liebe.[Bearbeiten]

"Dann einet sich zu einem Strome
  Die Menschheit all' von nah und fern
Und kniet anbetend in dem Dome
  Der Schöpfung von dem einen Herrn.
Dann wird der Glaube triumphiren,
  Der einen Gott und Vater kennt;
Die Namen sinken, und es führen
  Die Wege all' zum Firmament!"[1]
Halt ein Wollt ihr Gott wahrhaft finden,
  O, so verwischt nicht seine Spur.
Der Zweifel muß und wird verschwinden:
  Den Schöpfer kennt die Kreatur.
Schwingt euch hinauf zu jenen Fernen,
  Zum großen Weltenocean,
Les't in den Sonnen, in den Sternen:
  Sie zeigen euch des Ew'gen Bahn.
Dort oben kann kein Zweifel walten
  Wie hier in eurer todten Schrift,
Dort muß der Geist sich frei entfalten,
  Bis er auf seinen Urquell trifft.
Doch ihr beschweret eure Fügel
  Mit der Dogmatik Tyrannei,
Ihr schäumt und knirschet in die Zügel
  Und glaubt in Ketten euch noch frei.
Ihr hängt und klebt an allen Sätzen,
  Die längst der Moder angefaßt,
Und glaubt die Gottheit zu verletzen,
  Wenn ihr ihr den Roman nicht laßt.
Ihr les't die Schrift durch eure Brillen,
  Durch die man Alles anders liest,
Und wollt Geheimnisse enthüllen,
  Wo an sie nicht zu denken ist.
Zur Wirklichkeit macht ihr die Fabel,
  Weil es sich gut zum Ganzen fügt,
Und deutet zehnfach die Parabel,
  Die klar und einfach vor euch liegt.
Der Aphorismen helle Sätze
  Verbindet ihr mit dunklem Kitt
Und schreibt in diesem Bau Gesetze,
  Die der Gehorsam übertritt.
Und wenn ein glänzender Gedanke
  Erleuchtend durch die Dogmen fährt,
Gleich wird er vor des Schisma's Schranke
  Für ein Kriterium erklärt! –
Erhebt euch einmal aus dem Staube,
  In dem kein Schatz verborgen liegt,
Seht, ob der aufgezwung'ne Glaube,
  Vom Nimbus frei, euch noch genügt!
Wollt ihr die Erde kennen lernen
  Und die Gesetze ihrer Bahn,
So wißt, daß man sie von den Sternen
  Am Besten überblicken kann!"[2]

in Die Juweleninsel.[Bearbeiten]

"Steig nieder, von den heil'gen Höhen,
  Wo in Verborgenheit Du thronst;
Laß uns, o Siwa, laß uns sehen,
  Daß Du noch immer bei uns wohnst!
Soll Deines Lichtes Sonne weichen,
  Jetzt von Tscholamandelas[3] Höhn,
In Dschahlawan,[4] Dein Stern erbleichen
  Und im Verschwinden untergehn?"[5]
"Spreng Deines Grabes Felsenhülle,
  O Kalldah, steig aus der Gruft
Und komm in alter Macht und Fülle
  Zum Thuda, der Dich sehnend ruft!
Soll der Brahmane schlafen gehen,
  Die Sakundala in der Hand,
Soll er den Zauber nicht verstehen,
  Der ihn an Deine Schöpfung band?
Des Himalaya mächt'ger Rücken
  Steigt aus dem Wolkenkreis hervor,
Und der Giganten Häupter blicken
  Zum Ew'gen demuthsvoll empor.
Ihn preist des Meers gewaltge Woge,
  Die an Kuratschis Strand sich bricht,
Und in des Kieles lautem Soge[6]
  Von ihm erzählt beim Sternenlicht.
Ihn preiset des Suacrong[7] Stimme,
  Die donnernd aus der Dschungel schallt,
Wenn er im wilden Siegesgrimme
  Die Pranken um die Beute krallt.
Ihn preist des Feuerberges Tosen,
  Das jedes Herz mit Graun erfüllt,
Wenn aus dem Schlund, dem bodenlosen,
  Das Flammenmeer der Tiefe quillt!"[8]
"Und Herr   i s t   er, vom Eiseslande,
  Wo träg zum Meer die Lena zieht,
Bis weithin, wo am Felsenstrande
  Der Wilde dem Yahu[9] entflieht.
Und Herr   b l e i b t   er. Im Sternenheere
  Erblickst Du seiner Größe Spur;
Sein Fuß ruht in dem Weltenmeere,
  Und sein Gesetz ist die Natur.
Naht auch mit unheilvollen Stürmen
  Vom Westen her die Wettersnacht,
Mag immer sich die Wolke thürmen.
  Der Hindukoh bricht ihre Macht:
Die matt geword'nen Stürme kräuseln
  Mit kühlem Hauch als Abendwind
Des Persermeeres Fluth und säuseln
  Durch Pendschabs Fluren sanft und lind.
Wo die Almeah[10] kaum die Lieder
  Der nächtlichen Bhowannie sang,
Tönt in die stillen Ghauts[11] hernieder
  Der Kriegstrompete heller Klang.
Die duftenden Thanakafelder
  Zerstampft der Rosse Eisenhuf;
Der Phansegar flieht in die Wälder
  Vor seiner Feinde Siegesruf.
Des Ganges Welle muß sie tragen
  Bis hin zu Siwas heil'gem Ort,[12]
Und ihre Feuerboote jagen
  Die Gott geweihten Thiere fort.
Dann wird mit festlichem Gepränge
  Von einem andern Gott gelehrt,
Und von der leicht bethörten Menge
  Der Mann aus Falesthin[13] verehrt."[14]

in Der verlorne Sohn.[Bearbeiten]

"Schwingt Euch hinauf in jene Fernen,
  Zum großen Weltenozean;
Lest in den Sonnen, in den Sternen!
  Sie zeigen Euch des Ewgen Bahn.
Dort oben kann kein Zweifel walten,
  Wie hier in Wort und Buch und Schrift.
Dort muß der Geist sich frei entfalten,
  Bis er auf seinen Urquell trifft!" –[15]
"Dann einet sich zu   e i n e m   Strome
  Die Menschheit all von Nah und Fern,
Und kniet anbetend in dem Dome
  Der Schöpfung vor dem   e i n e n   Herrn.
Dann wird der Glaube triumphiren,
  Der   e i n e n   Gott und Vater kennt.
Die Namen sinken, und es führen
  Die Wege all zum Firmament!"[16]

in Deutsche Herzen – Deutsche Helden.[Bearbeiten]

"So einigt er zu Einem Strome
Die Menschheit all', von nah und fern,
Zu knien anbetend in dem Dome
Der Schöpfung vor dem Einen Herrn.
Der Glaube nur kann triumphiren,
Der Einen Gott und Vater kennt.
Die Namen sinken, und es führen
Die Wege all' zum Firmament!"[17]

in Der Weg zum Glück.[Bearbeiten]

"Steig nieder von den heilgen Höhen,
  Wo in Verborgenheit Du thronst;
Laß uns, o Bramah, laß uns sehen,
  Daß Du noch immer bei uns wohnst!
Soll Deines Lichtes Sonne weichen
  Jetzt von Dscholamandela's Höhn,
In Dschalawan Dein Stern erbleichen
  Und im Verschwinden untergehn?
Spreng Deines Grabes Felsenhülle,
  Kalidasa, steig aus der Gruft,
Und komm in alter Macht und Fülle
  Zum Thuda, der Dich sehnend ruft!
Soll der Bramahne schlafen gehen,
  Die Sakundala in der Hand,
Soll er den Zauber nicht verstehen,
  Der ihn an Deine Schöpfung band?
Des Hymalaja mächtger Rücken
  Steigt aus dem Wolkensaum hervor,
Und der Giganten Häupter blicken
  Zum Ewgen demuthsvoll empor.
Ihn preist des Meers gewaltge Woge,
  Die an Kuratschi's Strand sich bricht
Und in des Kieles lautem Soge
  Von ihm erzählt beim Sternenlicht.
Ihn preist des Kilau Ea Tosen,
  Das jedes Herz mit Graun erfüllt,
Wenn aus dem Schlund, dem bodenlosen,
  Das Feuermeer der Tiefe quillt.
Ihn preiset des Suakrong Stimme,
  Die donnernd aus den Dschungeln schallt,
Wenn er im wilden Siegesgrimme
  Die Pranken um die Beute krallt –"[18]
"Und ewig   w a r   er, eh die Flosse
  Des grausigen Geulodon
Im Urweltmeer der riesengroße
  Ichthyosaurier geflohn.
Und ewig   b l e i b t   er und wird wohnen
  In nie geahnten Sonnenhöhn,
Wenn Weltengenerationen
  Durch ihre Urkraft neu erstehn.
Und Herr   i s t   er. Vom Eiseslande,
  Wo träg zum Meer die Lena zieht,
Bis weithin, wo am Felsenstrande
  Der Wilde dem Yahu entflieht.
Und Herr   b l e i b t   er. Im Sternenheere
  Erblickst Du seiner Größe Spur,
Sein Fuß ruht in dem Weltenmeere,
  Und sein Gesetz ist die Natur."[19]
"Wo die Almeah kaum die Lieder
  Der nächtlichen Bhowannie sang,
Tönt in die stillen Ghauts hernieder
  Der Kriegstrommete heller Klang.
Die duftenden Thanakafelder
  Zerstampft der Rosse Eisenhuf;
Der Phansegar flieht in die Wälder,
  Vor seiner Feinde Siegesruf.
Des Ganges Welle muß sie tragen
  Bis hin zu Shiwa's heilgem Ort,
Und ihre Feuerboote jagen
  Die gottgeweihten Thiere fort."[20]
"Halt ein! Wollt Ihr Gott wahrhaft finden,
  O, so verwischt nicht seine Spur!
Der Zweifel muß und wird verschwinden:
  Den Schöpfer kennt die Creatur.
Sucht ihn im sphärischen Accorde,
  Im großen Weltzusammenhang!
Dort öffnet sich des Himmels Pforte,
  Aus der sein Ruf hernieder klang.
Doch Ihr beschweret Eure Flügel
  Mit Eures Irrthums Tyrannei.
Ihr schäumt und knirschet in die Zügel
  Und glaubt in Ketten Euch noch frei."[21]
"Dann einet sich zu einem Strome
  Die Menschheit all von nah und fern
Und kniet anbetend in dem Dome
  Der Schöpfung vor dem einen Herrn.
Dann wird der Glaube triumphiren,
  Der einen Gott und Vater kennt;
Die Namen sinken, und es führen
  Die Wege all zum Firmament!"[22]

in Mein Leben und Streben.[Bearbeiten]

"Wenn ihr erst selbst das Wort verstanden,
  Das euer Heiland euch gelehrt
Und es in euren eig'nen Landen
  Befolgt und mit Gehorsam ehrt,
Dann einet sich zu einem Strome
  Die Menschheit all von nah und fern
Und kniet anbetend in dem Dome
  Der Schöpfung vor dem einen Herrn.
Dann wird der Glaube triumphieren,
  Der einen Gott und Vater kennt;
Die Namen sinken, und es führen
  Die Wege all zum Firmament."[23]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Dieses Gedicht gehört zu den frühesten bekannten von Karl May und begleitete ihn zeit seines Lebens. Eine vollständige Fassung des umfangreichen Poems ist nicht bekannt.

in Das Buch der Liebe.[Bearbeiten]

In seinem Frühwerk das Buch der Liebe (1876) zitierte er neben zahlreichen fremden Gedichten auch viele eigene. Die erste oben angegebene Strophe wird hier in der Erste[n] Abtheilung wie folgt eingeleitet:

Die Pflege des Frauengemüthes bringt der Religion reicheren Segen als alle Mission und Propaganda. Zur Eroberung ihres Reiches bedarf die Liebe nicht der menschlichen Stärke; ihr Schritt dringt unaufhaltsam vorwärts und zertritt die Schranken, welche irdischer Egoismus ihr entgegenhält. Und so wird eine Zeit kommen, in welcher sie als Siegerin und alleinige Herrscherin über der Erde thront und das Wort in Erfüllung gegangen ist: [...][24]

Die weiteren Verse finden sich in der Dritte[n] Abtheilung, im Kapitel Liebe und Geschichte, eingebettet in die Worte:

Wir prägen uns eine Menge Sprüche und Kirchenlieder ein, wir kennen die Namen von Männern zweifelhafter Berühmtheit, wir geben den letzten Pfennig als Schärflein zum Baue von kostbaren Kirchen, aber wir lassen uns von den Spitzen dieser religiösen Monumente nicht hinauf in die Unendlichkeit weisen und verschließen unser Ohr vor den donnernden Mahnungen des wechselnden Lebens um uns her.
[...]
Diese Worte des Dichters enthalten eine alle unsere Verhältnisse erleuchtende Wahrheit. Sie sind nicht gegen die wahre Frömmigkeit gerichtet, sondern gegen die Kurzsichtigkeit, welche am irdischen Staube haftet und im kleinlichen Treiben des Erdenlebens, in der Hingebung an nichtige und vergängliche Gegenstände das Beste vergißt oder vernachlässigt, was uns vom Schöpfer verliehen ist: die Arbeitskraft für Zwecke, welche die Bergesspitzen der Erde weit überragen und im Lichte der Ewigkeit uns am Firmamente entgegenglänzen.[25]

in Die Juweleninsel.[Bearbeiten]

In Karl Mays Roman Die Juweleninsel (18801882) deklamiert ein Phansegar das Gedicht. Alphons Maletti und Rabbadah, die es zufällig hören, erkennen daran ihren Helfer. Während der Rezitation kommt es zwischen ihnen zu folgendem kurzen Dialog:

"Ist dies auch ein Phansegar, ein Mörder?" frug die Begum. "Er spricht wie ein Dichter."
"Es ist ein Phansegar; er kann wohl weder lesen noch schreiben, und dennoch könnte ein Dichter des Morgen- oder Abendlandes ihn wohl in Beziehung auf die Sprache kaum übertreffen. Horch!"[26]

in Der verlorne Sohn.[Bearbeiten]

Im Kolportageroman Der verlorne Sohn (18841886) zitiert Sarah Rubinenthal das Gedicht, das einen gewissen "Hadschi Omanah" zum Verfasser hat, im Gespräch mit ihrer Freundin Judith Levi:

[Judith:] "So laß uns weiter lesen! Ist es nicht, als habe dieser Hadschi Omanah in unsere Herzen geblickt, um dann unsern Gefühlen, Wünschen und Gedanken diese glanz- und prunkvollen Reime zu geben?"
"Ja," antwortete die Freundin nachdenklich. "Er muß ein hochgeborener Mann sein; an seiner Wiege hat das Glück gesessen, sonst wäre ihm diese Pracht und Herrlichkeit fremd geblieben. Die Worte, in welche er seine Gedanken kleidet, gleichen funkelnden Brillanten, welche in allen Farben und Nuancen schimmern und flimmern. Keiner dieser Diamanten und Smaragden, Rubinen und Saphiren hat eine falsch geschliffene Facette. Es ist alles so werthvoll, echt und schwer, wie es eigentlich nur ein König, ein Kaiser tragen kann."
Bei dieser begeisterten Lobrede schüttelte Judith leise und langsam den Kopf.
"Vielleicht findet gerade das Gegentheil statt," sagte sie. "Viele Dichter und Schriftsteller schreiben gerade über das, was ihnen am Allerfernsten liegt, am Allerliebsten. Ein Prinz schreibt gern Dorfgeschichten, ein Melancholikus gern Humoresken, und ein Literat, welcher mit dem Hunger kämpft, wagt sich an das Höchste und Beste, was der Mensch zu erreichen vermag. Er träumt, es im Besitz zu haben; seine Phantasie schmückt es mit allen irdischen Werthen und Schönheiten; er fühlt sich während des Schreibens als Glücklichster der Sterblichen und sinkt, wenn er die Feder fortlegt, dem Knochengespenste des Hungers und des Elends wieder in die Arme."
Sie ahnte nicht, wie Recht sie in diesem Falle hatte. Aber ihre Freundin sagte:
"Daran glaube ich hier nicht. Wer sich zu solcher Höhe emporzuschwingen vermag, muß auch schon auf Erden hoch Fuß gefaßt haben. Höre nur hier, wo er von dem Suchen nach Gott spricht!"
Sie nahm das Buch zur Hand und las begeistert vor:
  "Schwingt Euch hinauf in jene Fernen, [...]
"Kann ein Leidender, ein Hungriger so schreiben?" fragte sie. "Klingt nicht aus jedem Worte ein Muth, eine Kraft, eine Stärke, welche nur, daß ich mich so ausdrücke, in einem gutgenährten Körper wohnen kann?"
"Dann müßten alle Helden der Weltgeschichte auch körperlich Titanen gewesen sein, und doch wissen wir das Gegentheil. Zeige her, den Schluß des Gedichtes. Auch in ihm funkelt und brillirt es, als ob der Dichter seinem Gedanken einen Königsmantel umgethan und eine Krone aufgesetzt habe. Und doch! Höre einmal!"
Sie nahm das Buch gar nicht in die Hand. Sie kannte das Gedicht. Sie recitirte aus dem Gedächtnisse und declamirte:
  "Dann einet sich zu einem Strome [...][27]

in Deutsche Herzen – Deutsche Helden.[Bearbeiten]

In Karl Mays Kolportageroman Deutsche Herzen - Deutsche Helden (18851887) werden Verse des Gedichts im Anschluss an ein Gebet zitiert, das Tarik und Badija miteinander sprechen, und folgendermaßen eingeleitet:

Sie knieeten neben einander nieder und beteten, nicht laut, sondern still und einander unhörbar. Der aber, zu dem sie beteten, hörte die Stimme ihrer Herzen und sah die Aufrichtigkeit ihrer Wünsche. Welchen Namen man ihm auch geben möge, ob man ihn Herr, Gott, Manitou oder Allah nenne, er ist doch Ein- und Derselbe, die ewige, unendliche Liebe, der Schöpfer und Vater aller Menschen, der nicht nach der Verschiedenheit der Bekenntnisse fragt, sondern nur das Herz und die Nieren prüft. Vor ihm sind Alle gleich, Christen, Juden, Türken, Heiden. Nicht das Bekenntniß thut es, nicht die Confession, sondern der eine, große Gottesgedanke, von welchem der Dichter sagt: [...][28]

in Der Weg zum Glück.[Bearbeiten]

Die meisten Strophen des Gedichts sind in Karl Mays Roman Der Weg zum Glück (1886–1888) zu finden. Hier ist es der Lehrer Max Walther, der auf Wunsch des Königs Ludwig II. von Bayern in dessen Anwesenheit sowie im Beisein des Medizinalrats, des Pfarrers und Walthers Mutter das Gedicht als Improvisation fabriziert:

"Nun wohl," nickte der König. "Wir wollen sehen, ob Ihre Anstrengungen Früchte getragen haben und ob Sie berechtigt sind, ein solches Selbstvertrauen zu zeigen. Stellen Sie sich dort an die Wand und beginnen Sie!"
Walther erhob sich von seinem Sitze und stellte sich an den Punkt, welchen der König ihm durch einen Wink bezeichnet hatte. Sein ruhig-heiteres Angesicht zeigte keine Spur von Befangenheit oder gar ängstlicher Sorge.
"Mein Gott!" flüsterte seine Mutter, indem sie die Hände faltete. "Er ist so kühn!"
Alle hatten der kurzen Verhandlung mit Spannung gelauscht. Jetzt, als der Vortrag beginnen sollte, setzte sich ein Jedes bequem im Stuhle zurecht. Selbst die Barbara kam mit der Liesbeth aus der Küche. Beide lehnten sich an die Thür derselben, um die Improvisation anzuhören. Jeder der Anwesenden wünschte im Stillen von Herzen, daß der junge, muthige Mann die Probe bestehen möge.
"Also, anfangen!" sagte der König.
"Bitte," fragte Walther vorher, "darf ich Bilder gebrauchen, wie sie dem indischen Character und der dortigen Scenerie angemessen sind?"
"Das müssen Sie sogar, wenn Sie wahr sein wollen. Sie können die Anschauungen eines indischen Priesters ja nicht in unsere deutschen Umschläge wickeln."
"Das ist mir eben erwünscht."
"Schön! Also zunächst spricht der Bramahne!"
Es herrschte eine wahre Todesstille in der kleinen Stube. Selbst diejenigen der Anwesenden, welche nicht wußten, daß der Herr oben am Tische der König sei, hatten ganz das Gefühl, daß die gegenwärtige Stunde für den Lehrer eine wichtige, wohl gar entscheidende sei.
Da erhob dieser langsam die beiden Arme zur Declamation, blickte empor, ganz in der Haltung, in welcher der Bramahne zu seinem Gotte betet, und begann:
  "Steig nieder von den heilgen Höhen, [...]
Bisher waren die Worte des Gedichtes nur dem König, dem Medicinalrathe und dem Pfarrer verständlich gewesen. Walther sollte sich ja in indischen Bildern und Ausdrücken bewegen. Er besaß eine kräftige, sonore, aber zugleich jeder zarten Biegung fähige Stimme. Sein Vortrag hatte etwas Gefangennehmendes, mit sich Fortreißendes.
Hatte das Gesicht des Königs erst eine bedeutende Spannung ausgedrückt, so legte sich jetzt ein Zug der Beruhigung über dasselbe. Der Monarch holte leise aber tief Athem, wendete sich halb ab und schloß die Augen, um diese biegsame, wohlklingende Stimme ganz auf sich einwirken zu lassen.
Walther fuhr in der Verherrlichung Bramah's fort:
  "Und ewig war er, eh die Flosse [...]
So verkündete der Priester weiter das Lob und den Preis seines Gottes und erzählte dann, daß andersgläubige Männer in das Land gekommen seien, welche sich Missionäre nennen. Im Gefolge dieser Männer kommen fremde Krieger, welche Kampf und Unterjochung bringen:
  "Wo die Almeah kaum die Lieder [...]
Und nun schildert der Priester haßerfüllt das Auftreten der Christen und beschwört seine Anhänger, zum Schwerte zu greifen, um die Fremden zu vernichten und dem finsteren Shiwa zu opfern. Er vergleicht beide Religionen, den Bramahnismus und das Christenthum, und spricht eben davon, daß das Letztere nur Irrlehren enthalte; er weist dies durch Beispiele scheinbar nach, da wird er von dem Missionär unterbrochen, welcher hinter einer Säule des Tempels verborgen, der heidnischen Predigt zugehört hat und nun hervortritt und dem Priester in die Rede fällt:
  "Halt ein! Wollt Ihr Gott wahrhaft finden, [...]
Und nun beginnt er von dem Allmächtigen, Allgerechten, Allweisen und Allliebenden zu sprechen, von der Sündhaftigkeit und Undankbarkeit der Menschen, von dem Sehnen nach Erlösung, von der Weissagung und Verkündigung des Heilandes, von der Geburt, der Lehre, dem Wirken, dem Mittlertode des Erlösers. Seine Worte werden getragen von höchster Begeisterung; sie wirken hinreißend, überzeugend. Die Blicke der Hörer hangen an seinem Munde. Endlich schließt er mit den Worten:
  "Dann einet sich zu einem Strome [...]
Mit, diesen Worten endet der Missionär seine Rede, und von ihrer Gewalt gepackt und erschüttert, fallen die Hörer in die Kniee und begehren, aufgenommen zu werden in die Gemeinschaft der christlichen Kirche. Selbst der Priester, welcher erst gegen das Evangelium der Liebe und Gnade gesprochen hat, ist jetzt so erschüttert, daß er, ein zweiter Saulus, sich jetzt als Paulus zuerst erbittet, getauft zu werden. –
Jetzt war die Improvisation beendet. Sie hatte über eine halbe Stunde in Anspruch genommen. Nicht ein einziges Mal hatte der junge Dichter gestockt oder gezaudert, oder sich versprochen. Es waren ihm die Strophen von den Lippen geflossen, als ob er sie seit langer Zeit auswendig gelernt habe und nun recitire.
Und welch eine Kenntniß indischer Zustände entwickelte er! Wie glanzvoll und mit welchem Scharfsinne ließ er die heiligen Lehren des Christenthums über die heidnischen Satzungen siegen!
Seine Wangen hatten sich geröthet und seine Augen leuchteten. Er war mit seiner ganzen Seele bei der Aufgabe. Er sah nicht Diejenigen, zu welchen er sprach, sondern er sah im Geiste Palmen wehen unter Riesentempeln, und den Hauch der Palmen – er fühlte ihn hier in der niedrigen Stube der kleinen Mühle.
Hatte es, als er begann, den Hörern schwer auf der Seele gelegen, ob er auch bestehen werde, so war ihnen im Verlaufe der Declamation das Herz immer leichter und leichter geworden. Jetzt, als er schloß, war es Allen zu Muthe, als ob sie mit ihm gesiegt hätten, denn selbst Diejenigen, welche die zahlreichen Fremdworte nicht verstanden hatten, waren der festen Ueberzeugung, daß er eine höchst schwierige Aufgabe zufriedenstellend gelöst habe.[29]

Die Strophen aus Der Weg zum Glück nahm Adalbert Fischer 1904 in den Sammelband Sonnenstrahlen aus Karl Mays Volksromanen auf.

in Mein Leben und Streben.[Bearbeiten]

In Karl Mays Autobiografie Mein Leben und Streben (1910) wird im Kapitel Im Abgrunde über die Entstehung des Gedichts berichtet:

Einige Zeit später hatte ich ein Lehrgedicht zu schreiben, von dem mir jetzt nur noch folgende Strophen gegenwärtig sind:
  "Wenn ihr erst selbst das Wort verstanden, [...]
Kaum hatte ich mich hingesetzt, um die Disposition zu diesem hochstrebenden Gedicht niederzuschreiben, so trat eine seltene Klarheit in mir ein, ich sah das frohe Lächeln der lichten Gestalt, und hundert schöne, edle Gedanken eilten herbei, um von mir aufgenommen zu werden. Ich griff zur Feder. Da aber war es plötzlich, als ob ein schwarzer Vorhang in mir niederfalle. Die Klarheit war vorüber; die lichte Gestalt verschwand; die dunkle tauchte auf, höhnisch lachend, und überall, durch mein ganzes inneres Wesen, erscholl es wie mit hundert Stimmen "des Schneiders Fluch, des Schneiders Fluch, des Schneiders Fluch u.s.w.!" So klang es stunden- und stundenlang in mir fort, endlos, unaufhörlich und ohne die geringste Pause, nicht etwa nur in der Einbildung, sondern wirklich, wirklich. Es war, als ob diese Stimmen nicht in mir, sondern grad vor meinem äußern Ohr ertönten. Ich gab mir alle Mühe, sie zum Schweigen zu bringen, doch war das, so lange ich die Feder in der Hand hielt und zum Schreiben sitzen blieb, vergeblich. Auch als ich aufstand, klangen sie fort, und nur als mir der Gedanke kam, auf das Lehrgedicht zu verzichten, trat augenblicklich Schweigen ein. Da ich aber mein Versprechen, es anzufertigen, halten mußte, so griff ich bald wieder zur Feder. Sofort erklang der Stimmenchor von Neuem "des Schneiders Fluch, des Schneiders Fluch!" und als ich trotzdem alle meine Gedanken auf meine Aufgaben konzentrierte, kamen die lautgebrüllten Sätze hinzu "Die Hypotheken lauern, die Hypotheken lauern; ihr hörts, verruchte Mauern, ihr hörts, verruchte Mauern!" Das ging den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch und auch dann noch immer weiter. Kein anderer Mensch sah und hörte es; Niemand ahnte, was und wie furchtbar ich litt. Jeder Andere hätte das als Wahnsinn bezeichnet, ich aber nicht. Ich blieb kaltblütig und beobachtete mich. Ich setzte es trotz aller Gegenwehr durch, daß mein Gedicht zur vereinbarten Zeit fertig wurde. Aber derartige Siege hatte ich immer sehr teuer zu bezahlen; ich brach dann innerlich zusammen.[30]

Des Schneiders Fluch ist eine Parodie Karl Mays auf Ludwig Uhlands Gedicht Des Sängers Fluch.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben der genannten Werke sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Das Buch der Liebe. In: Karl Mays Werke, S. 515 (vgl. KMW-I.1.A-32, S. 38).
  2. Karl May: Das Buch der Liebe. In: Karl Mays Werke, S. 908–910 (vgl. KMW-I.1.A-32, S. 313 f.).
  3. So wird in Indien die Küste Koromandel genannt.
  4. So nennt der Indier die Küste Malabar.
  5. Karl May: Die Juweleninsel. In: Karl Mays Werke, S. 8864 (vgl. KMW-II.2, S. 225 f.).
  6. So wird das geräusch genannt, welches das Kielwasser am Schiff hervorbringt.
  7. Der indische Tiger.
  8. Karl May: Die Juweleninsel. In: Karl Mays Werke, S. 8865 (vgl. KMW-II.2, S. 226 f.).
  9. Yahu ist der Teufel der Neuseeländer.
  10. Tänzerin.
  11. Thäler.
  12. Benares.
  13. Palästina (Christus gemeint).
  14. Karl May: Die Juweleninsel. In: Karl Mays Werke, S. 8866 f. (vgl. KMW-II.2, S. 227 f.).
  15. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 19676 (vgl. KMW-II.14, S. 208 f.).
  16. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 19677 (vgl. KMW-II.14, S. 209).
  17. Karl May: Deutsche Herzen – Deutsche Helden. In: Karl Mays Werke, S. 25551 (vgl. KMW-II.21, S. 795).
  18. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31598 f. (vgl. KMW-II.28, S. 1205 f.).
  19. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31600 (vgl. KMW-II.28, S. 1207).
  20. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31601 (vgl. KMW-II.28, S. 1207).
  21. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31602 (vgl. KMW-II.28, S. 1208).
  22. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31602 f. (vgl. KMW-II.28, S. 1208 f.).
  23. Karl May: Mein Leben und Streben. In: Karl Mays Werke, S. 70773 (vgl. KMW-VI.3, S. 116).
  24. Karl May: Das Buch der Liebe. In: Karl Mays Werke, S. 514 (vgl. KMW-I.1.A-32, S. 38).
  25. Karl May: Das Buch der Liebe. In: Karl Mays Werke, S. 908, 911 (vgl. KMW-I.1.A-32, S. 313, 314 f.).
  26. Karl May: Die Juweleninsel. In: Karl Mays Werke, S. 8866 (vgl. KMW-II.2, S. 227).
  27. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 19675–19677 (vgl. KMW-II.14, S. 207–209).
  28. Karl May: Deutsche Herzen – Deutsche Helden. In: Karl Mays Werke, S. 25551 (vgl. KMW-II.21, S. 794 f.).
  29. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31596–31604 (vgl. KMW-II.28, S. 1204–1209).
  30. Karl May: Mein Leben und Streben. In: Karl Mays Werke, S. 70772–70774 (vgl. KMW-VI.3, S. 116 f.).

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]