Die Gewitternacht (Gedicht)

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Die Gewitternacht ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

  Nun zucken Blitze durch die Nacht,
Die Erde bebt, die Fluren weinen,
  Und wilde Geister sind erwacht,
Die Alles zu vernichten scheinen –
Nun wieder strahlt das Licht der Sonnen
  Warm lächelnd nieder auf die Flur.
Es athmet Glück und athmet Wonnen
  Noch unter Thränen die Natur.
So ists, wenn Stürme Dich umtoben,
  Wenn Dich umgeben Nacht und Graun:
Es bricht ein goldner Strahl von oben
  Und bringt Dir neues Gottvertraun.[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Das Gedicht ist als Lied in Karl Mays Roman Der Weg zum Glück (18861888) zu finden, nämlich im 4. Kapitel Schalksstreiche. Hier singt Signora Mureni das Lied bei einem Konzert:

Nachdem abermals ein kurzes Orchesterstück vorüber war, kam:
"Die Gewitternacht, von R.W., gesungen von Signora Mureni.
Leise ging die Frage rundum: Wer ist dieser R.W., dieser Pseudonym? Etwa Richard Wagner? Aller Blicke richteten sich auf ihn, doch war in seinem unbewegten Gesicht weder ein Ja, noch ein Nein zu lesen.
Als der Vorhang aufrollte, stellte die Scene einen freien Platz im Walde vor. Der Mond war im Niedergehen und stand im Begriff, zwischen sich aufbäumenden Wolken zu verschwinden.
Leise, fast flüsternd begann das Orchester die Introduction. Da trat die Leni auf die Scene. Sie war vollständig in Schwarz gekleidet, lang und wallend, ohne Schmuck und ohne Blume. Das einzig Weiße, was man an ihr bemerkte, war das Gesicht und waren die Hände. Sie begann.
Es klangen die Töne wie Windesrauschen. Sie sang von Müdigkeit und Ruhesehnsucht, so süß, so klagend. Sie wollte schlafen, vergessen die Sorgen des Tages und des Lebens; aber immer lauter wurde das Rauschen, es wetterleuchtete und in der Ferne grollte ein leiser Donner.
Er kam näher und näher. Der Mond war verschwunden; der Himmel war gewitterschwarz, Blitze zuckten und der Regen begann herabzuströmen. Im Schutze eines Baumes stehend, gab sie den Tönen der Natur beredte Worte:
  "Nun zucken Blitze durch die Nacht, [...]
Die anwesenden Kenner hörten und fühlten es leicht heraus, daß dieses Stück gerade nur für diese Sängerin componirt sei, und so befestigte sich bald die Ueberzeugung, daß es Richard Wagnern zum Componisten habe. Der Dichter war unbekannt. Wagners Dichtkunst aber war es nicht.
Diese nächtig mächtig prächtige Composition gab Leni vollauf Gelegenheit, zu zeigen, daß sie nicht nur eine Stimme und eine Seele besitze, sondern auch die gehörige Technik des Gesanges. Sie hatte ja noch zu üben und zu lernen, aber was sie bot, das war fertig und vollendet. Diese Gewitternacht bot der musikalischen Schönheiten außerordentlich viele, und die Sängerin verstand es, dieselben zur Geltung zu bringen. Wie mächtig gellte ihr Weheruf durch das Haus, als die Blitze den Baum umzuckten, und wie ergreifend zitterte ihre Stimme durch den Raum, als sie knieend um den Schutz Gottes bat! Und sie fand denselben. Das Gewitter entfernte sich; die Nacht war mit ihm vergangen und der Morgen tagte. Die Sonne ging auf und alles Schreckliche nahm in ihrem Lichte eine andere Gestalt und Farbe an.
  "Nun wieder strahlt das Licht der Sonnen [...]
So endete diese Nummer. Sie war von langer Dauer gewesen und die Leni hatte gezeigt, daß sie nicht nur Sängerin, sondern auch Schauspielerin sei. Sie wurde abermals mehrfach hervorgerufen und der Director bot ihr abermals das Riesenbouquet, welches sie jetzt auch annahm.[2]

1904 wurde dieses Gedicht von Adalbert Fischer in den Sammelband Sonnenstrahlen aus Karl Mays Volksromanen aufgenommen.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben von Der Weg zum Glück sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 30749 f. (vgl. KMW-II.27, S. 650 f.).
  2. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 30747–30750 (vgl. KMW-II.28, S. 650 f.).

Weblinks[Bearbeiten]