Ein einzig Mal in meinem Leben (Gedicht)

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Ein einzig Mal in meinem Leben ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

Ein einzig Mal in meinem Leben
  Möcht ich anbetend vor Dir stehn
Und Dir, mein Engel, ohne Beben
  In's himmlisch schöne Antlitz sehn – –
Nur einmal möcht ich niederknieen,
  Die Stirn auf Deine Hand geneigt,
Und dann getröstet weiter ziehen,
  Ob auch mein Lebensstern erbleicht – –!
Daran hab' ich ja genug für's Leben,
  Stirbt es auch hin, geht es auch ein,
Ich will mich gern zufrieden geben,
  Denn ohne Dich kann ich nicht sein![1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

In Karl Mays Kolportageroman Der verlorne Sohn (18841886) ist das Gedicht in der 3. Abtheilung: Die Sclaven der Schande im 1. Kapitel Ein Magdalenenhändler zu finden. Hier rezitiert es Oberleutnant Walther von Hagenau, der es auch gedichtet hat, im Kreise seiner Kameraden:

"Hm! Es ist meine erste Arbeit auf diesem Gebiete."
"Schämst Du Dich etwa?"
"Nein, aber ich erröthe züchtig."
"Das ist ein gutes Zeichen. Das beweist, daß Du noch Blut und Schamgefühl im Leibe hast. Also, lies vor!"
"Unter vier Augen?"
Dagegen erhoben alle Anderen lauten Einspruch.
"Gut," sagte er. "Wenn mein Märtyrerthum ein so vollendetes sein soll, so muß ich mich fügen. Dort liegt der Zettel."
Er ging nach einem Seitentische und nahm einen Zettel.
"Es ist der Versuch eines schüchternen Jünglings. Ich bitte um Nachsicht, meine Herren! Also hört!"
Er las:
  "Ein einzig Mal in meinem Leben [...]
"Er bebt! Er hat gebebt!" wurde er unterbrochen. "Er hat sich also gefürchtet!"
"Und noch dazu vor einem himmlisch schönen Antlitze!"
"Vor einem Engel! Und welche Bescheidenheit! Er wünscht nichts, als nur ein einziges Mal vor ihr stehen zu dürfen!"
"Und sie ansehen zu dürfen!"
"Oho! sagte Hagenau. "So ist's nicht gemeint! Mit dem 'vor ihr stehen' bin ich nicht zufrieden!"
"Was sonst noch?"
"Das sollt Ihr sogleich erfahren."
Er las weiter:
  "Nur einmal möcht ich niederknieen, [...]
"Hört! Hört! Niederknieen will er!" lachte man.
"Und die Stirn auf ihre Hand neigen!"
"Sie soll ihm ein Bischen hinter die Ohren krabbeln, wie man es zuweilen mit einem folgsamen Pudel thut!"
"Ja. Und von diesem Krabbeln getröstet und beruhigt, zieht er dann weiter!"
"Und setzt das Lorgnon auf, um hinauf an's Firmament zu blicken, an welchem sein Lebensstern ausgeblasen wird!"
"Hagenau, Du bist unheilbar!"
"Möglich," antwortete er sehr ernst. "Aber dieses vor ihr Stehen und dieses Knieen hat mich befriedigt; das beweise ich durch die letzten Zeilen."
Er gab ihnen noch Folgendes zu hören:
  "Daran hab' ich ja genug für's Leben, [...]
Er legte das Blatt wieder von sich, wendete sich mit trauriger Miene an Den, der den Arzt fingirt hatte und fragte:
"Hast Du aufmerksam zugehört?"
"Sehr."
"Was sagst Du dazu?"
"Wozu? Zum Gedichte oder zu Deinem Zustande?"
"Zu Beiden."
"Nun, Dein Zustand ist sehr schlimm, das Gedicht ist aber noch bedeutend jämmerlicher."
"Das tröstet mich."
"Wieso?"
"Ich befinde mich doch weit mehr in Gefahr, wenn mein Zustand noch jämmerlicher wäre als das Gedicht!"
"Das ist freilich richtig! Es scheint also Rettung möglich zu sein!"[2]

Hedwig Pauler geht davon aus, dass May möglicherweise durch Heinrich Heines Gedicht Nr. 25, Strophe 2, aus der Heimkehr zu diesem Poem angeregt wurde. Bei Heine heißt es:

Nur einmal noch möcht' ich dich sehen,
Und sinken vor dir aufs Knie,
Und sterbend zu dir sprechen:
"Madam, ich liebe Sie!"[3]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben des Romans Der verlorne Sohn sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 21633–21635 (vgl. KMW-II.19, S. 1453 f.).
  2. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 21633–21636 (vgl. KMW-II.19, S. 1452–1454).
  3. Pauler: Deutscher Herzen Liederkranz, S. 72.

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]