Entschluß (Gedicht)

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Entschluß ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

          Entschluß.
Ich saß so manchen langen Tag
  Bei dir vor dem Katheder,
Jedoch, was deine Weisheit sprach,
  Das wußte fast schon Jeder.
Ich saß so manche lange Nacht,
  Um dich auch noch zu lesen,
Doch, was du mir da eingebracht,
  Ist nicht von dir gewesen.
Und gestern hab' ich dich belauscht,
  Als du die Psalmen lasest
Und, wie von ihrem Duft berauscht,
  Die Weisheit ganz vergaßest.
So stell' ich nun das Grübeln ein
  Und will dich nicht mehr fragen.
Der Herrgott soll Professor sein;
  Der wird mir Alles sagen![1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Das Gedicht ist in Karl Mays Reiseerzählung Ardistan und Dschinnistan I (1909) enthalten, die zum Spätwerk des Schriftstellers gehört. Der Ich-Erzähler verfasst es unter dem Eindruck, den das "Feuer der Berge" auf ihn gemacht hat, und liest es Hadschi Halef Omar vor:

Auch ich konnte und wollte mich der vollen Wirkung dieser wunderbaren Erscheinung nicht entziehen. Und auch ich fühlte in mir das unwiderstehliche Bedürfnis, den in mir erklingenden Tönen und Akkorden äußerlich Ausdruck zu geben. Aber während der Hadschi, der Erdenmensch, sich ohne eigene Gedanken in geistiger Hilflosigkeit an Mohammed wendete, stieg in mir ganz plötzlich ein Strahl der Erkenntnis noch viel lichter und noch viel höher auf, als da draußen die Aschenflamme der Vulkane von Dschinnistan, so daß ich mich beeilen mußte, das Notizbuch zur Hand zu nehmen, um das, was an mich herantrat, festzuhalten. Es war ja hell genug zum Schreiben.
Als ich fertig war, fragte Halef, der nun wieder neben mir saß, ob er das, was ich geschrieben hatte, hören dürfe.
"Es ist ein Gedicht," antwortete ich. "Man liest Gedichte nicht vor, zumal in solchen Augenblicken. Aber um deinetwillen soll die Ausnahme gelten, nicht die Regel. Du hast nur den Flammen- und Aschenstrahl gesehen, weiter nichts. Mir aber wurde mehr gezeigt als dir. Und was ich da sah, und was ich da beschloß, das sollst du hören. Die Zeilen sind deutsch. Ich werde versuchen, sie dir samt den Reimen zu übersetzen."
Ich las ihm die sechzehn Zeilen vor, langsam und deutlich. Er hörte sehr aufmerksam zu. Als ich geendet hatte, bat er mich, es noch einmal zu tun, da er noch nicht Alles verstanden habe. Natürlich erfüllte ich ihm diesen Wunsch. Das, was er hörte, lautete zu deutsch:
          Entschluß.
  Ich saß so manchen langen Tag [...]
Als ich zum zweiten Male fertig war, schwieg Halef. Er hielt seinen Blick nach Norden gerichtet, um das Erstaunliche voll und ganz in sich aufzunehmen, und äußerte zunächst kein Wort.[2]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben der Reiseerzählung Ardistan und Dschinnistan I sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Ardistan und Dschinnistan I. In: Karl Mays Werke, S. 67028 f. (vgl. KMW-V.5, S. 347 f.).
  2. Karl May: Ardistan und Dschinnistan I. In: Karl Mays Werke, S. 67027–67029. (vgl. KMW-V.5, S. 347 f.).

Weblinks[Bearbeiten]