Frühreisen nach Gustav Urban

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Frühreisen nach Gustav Urban sind weite Reisen, die Karl May angeblich in den 1860er- und 1870er-Jahren gemacht hat und von denen nur Gustav Urban berichtet. Urban war ein hartnäckiger Verfechter der Frühreisen-Theorie, wonach May in seiner Jugend mehrere Auslandsreisen gemacht habe.

In einem ersten Brief an den Karl-May-Verlag schrieb Urban 1920, sein Vater Carl Traugott Urban sei mit Karl May bis Vienne, einer Kleinstadt südlich vom Lyon, gereist. Während der Vater heimkehrte, wollte May weiter nach Marseille.[1]

Diese Erklärung vertiefte er in zwei Aufsätzen in den Karl-May-Jahrbüchern 1922 und 1925. Der begleitende Briefwechsel, in dem Verleger Euchar Albrecht Schmid zunehmend skeptisch, später deutlich ablehnend reagierte, ist bisher unveröffentlicht.

Karl May ist gereist! im Karl-May-Jahrbuch 1922[Bearbeiten]

1. Meines Vaters Zeugnis[Bearbeiten]

Präzisierung: Carl Urban traf May 1864 in einem deutschen Heim in Zürich, der hier Vorträge über Erde, Weltall und Sterne hielt und Reiseeindrücke aus Amerika schilderte. Darauf wanderten beide – sowie ein Schriftsetzer – über Luzern, Lausanne, Genf und Lyon nach Vienne. Auf dem Weg erzählte May von einem Aufenthalt in St. Louis und über seine Beteiligung am Bau der Eisenbahn. In Lausanne und Lyon habe May Artikel für Zeitschriften geliefert. May sei schlankkräftig, etwa 166 Zentimeter groß, mit für sein Alter kräftigem, dunkelblondem Schnurrbart, dunkelblondem Haar, blauen Augen, ovalem Gesicht, Stirn und Nase fast in einer Linie.[2] Er habe Heimatschein, aber weder Reiseausweis noch Pass gehabt. Er trug Lederkleidung und u. a. ein Jagdmesser und zwei Revolver. Er beherrschte Französisch. Nach ihrer Trennung in Vienne habe Urban nie wieder von May gehört.

2. Mays Auslandsreisen [Bearbeiten]

Gustav Urban geht von einer ersten Amerikareise 1862 bis Herbst 1863 aus und von einer zweiten 1868 bis Anfang 1869. Von dieser zweiten Reise sei May über Kalifornien, Indien, Bagdad und den Balkan zurückgekehrt und im Mai 1869 wieder daheim gewesen.

Die nächste Reise wäre vom Juli bis Dezember 1869 anzusetzen und hätte May über Österreich, Ägypten, Arabien nach Konstantinopel geführt. Auf der Rückreise sei May dann in Österreich ergriffen und verurteilt worden.

Im Mai 1874 sei May wieder in den Orient gereist.

1883 bis 1886 hätte May eine längere Reise über Indien und Sumatra bis Südamerika zurückgelegt. Für diese letzte Reise benennt Urban einen Zeugen, der May 1883 in Sumatra kennengelernt habe, und präsentiert auch eine Photographie.

Fährten von May's erster Amerikareise im Karl-May-Jahrbuch 1925[Bearbeiten]

Urban datiert diese auf 1862/63. Er gibt Berichte seines Vaters wieder, dem May von einem ehemaligen deutsche Förster namens Fred Summer, den er in St. Louis kennengelernt habe, erzählt hätte. Vater Urban kontaktierte diesen Fred Summer und stellte über dessen Vermittlung wieder Kontakt zu drei ausgewanderten Vettern her. Urban präzisiert auch die von May mitgeführten Waffen; der eine Revolver hätte schon – seinerzeit in Europa noch unbekannte – Patronen mit Randfeuerung besessen.

Urbans Wiedergabe des Berichts seines Vater umfasst folgende Informationen: May habe in den Oststaaten einige Zeit als Berichterstatter von Zeitungen und als Privatdetektiv gearbeitet; danach war er Hauslehrer bei einer deutschen Familie in St. Louis. Hier lernte er den ehemaligen deutsche Förster Fred Summer kennen, der ihm riet, als Geometer beim Bahnbau anzufangen. Die Ausbildung, zu der Summer ihn begleitete, war einige Meilen weestlich von St. Louis. Hier traf er auf zwei Indianer, die den Oberingenieur aufforderten, den Streckenbau zu beenden. Ein Vorarbeiter schoss auf die Indianer; Fred Summer habe aber schlimmeres verhindern können.

May wurde daraufhin weiter nach Westen versetzt, wohin ihn Summer ebenfalls begleitete. Die Bahnbau-Gruppe wurde von Kiowas überfallen und verschleppt. Zwei Apachen befreiten sie und brachten sie für einige Wochen als Gäste in ihr Pueblo. Summer und May wären daraufhin Pelzjäger geworden. Sioux überfielen und verschhleppten sie, aber Summer und May gelang die Flucht. Sie gelangten in ein Fort, wo sie gepresst werden sollten, aber nach 14 Tagen ebenfalls durch Flucht entkamen. Sie besuchten einen befreundeten Indianerstamm in Nevada und reisten von dort aus zu den Apachen. Dort nahmen sie an der Seite der Apachen an den Kämpfen gegen die Comanchen teil und trafen auf einen Deutschen namens Helmer oder Helmers. Später wurden sie jedoch von Comanchen gefangen, woraufhin May nach ihrer Befreiung erst nach St. Louis – wo er wieder als Berichterstatter arbeitete – und dann wieder nach Deutschland ging.

Unabhängig davon schildert Urban auch zwei kleine Episoden, die sich auf der gemeinsamen Schweiz-Frankreich-Reise May/Urban zugetragen haben sollen.

Old Shatterhands Reisen (1935)[Bearbeiten]

Erstfassung[Bearbeiten]

1935 legte er dem Karl-May-Verlag einen 30-seitigen Beitrag Old Shatterhands Reisen vor, der Neues, Interessantes über May[3] enthalte sollte. Euchar Albrecht Schmid lehnte den Text nach eingehender Prüfung ab. Im Zuge dessen wurden etliche Briefe gewechselt, bis Urban 1938 resignierte und sein Manuskript zurückforderte.

Veröffentlichung 1962[Bearbeiten]

Der Aufsatz erschien letztlich erst am 24. März 1962 unter dem Titel Hat Karl May wirklich gelogen? Nein, sagt unser Gewährsmann! in der Zeitung Neues Österreich. Zuvor hatte Urban 1961 nochmal erfolglos Kontakt zum Karl-May-Verlag gesucht.

Urban geht darin von fünf Reisen aus, die er mit weiteren Details anreichert, an die er sich inzwischen erinnert habe. Erste Amerikareise: Start im Dezember 1862 von Hamburg nach New York, wo er als Detektiv und Reporter arbeitete. Er kam dann nach St. Louis, wo er den Pelzjäger Fred Sommer traf, der mit dem Häuptling der Apachen befreundet war und den Ehrennamen "Old Firehand" trug. Sommer brachte ihn zum Bahnbau (Abenteuer dann siehe Aufsatz 1925 mit zusätzlichen (Bären-)Jagden). Im Herbst 1863 kommt May nach New Orleans. Dort besteigt er einen Dampfer und rettet auf der Heimreise einem Kaufmann aus Tunis das Leben, der ihn für das folgende Jahr zu sich einlädt und im Geld für die Reise schenkt. (Einige der Münzen fanden sich auch im Nachlass seines Vaters, denn May habe sie als Andenken verschenkt.)

Die zweite Reise – Carl Urban und Karl May – dauerte vom 11. September bis zum 1. Oktober 1864. Urban begleitete May nunmehr bis Marseille, wo dieser nach Nordafrika übersetzte und bis zum 20. November blieb.

Eine weitere Reise dauerte vom 22. Juli bis zum 24. November 1869. Von Böhmen aus reiste May – versehen mit dem Arbeitsbuch von Gastwirt Franzl – als Kellner auf den Weg über Österreich und Italien (Mailand, Genua) nach Marseille, von wo aus er nach Tunis reiste. Dem Kaufmann gab May den Auftrag, einen Betrüger zu fassen, was May gelang. Mit dem Lohn kehrte er zurück.

Die letzte Reise ging laut Urban von Mai 1874 bis Februar 1875 und führte erneut nach Amerika.

Fred-Sommer-Brief als Beweis[Bearbeiten]

Als Beweis für seine Behauptungen legte Gustav Urban 1962 in seinem Aufsatz im Neuen Österreich faksimilierte Teile eines angeblich 1865 geschriebenen Briefes jenes Fred Sommers vor, den dieser an May geschrieben habe. Dass der Brief im Besitz seiner Familie war, wurde damit begründet, dass Urban sen. die für May aus Amerika eingehende Post im Evangelischen Männerheim Bern entgegen nehmen durfte.

Urban selbst veröffentlichte nur den faksimilierten Schlussteil des Briefes. Erst nach Urbans Tod publizierte Amand von Ozoróczy, der offenbar an die Echtheit des Briefes glaubte, den vollständigen Text, dessen Original von Urban versehentlich mit seinem Schreibtisch verkauft worden sei. Nur eine Abschrift (bzw. Übersetzung) sowie eben jener Schlussteil des Briefes (auf der Rückseite einer Fotografie) seien gerettet worden.

Werner Poppe geht in seiner ausführlichen Untersuchung 1975 (Die Fred-Sommer-Story) von einer bewussten Fälschung aus. Er zeigt historische Fehler im Brief und weist nach, dass das erste Foto vom Grand Canyon erst 1872 aufgenommen wurde – sieben Jahre nach der Datierung des Briefes.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Sarkiss, S. 16
  2. Karl May ist gereist!, S. 154.
  3. Sarkiss, S. 18 f.

Literatur[Bearbeiten]