Leserbrief 173

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Der 173. Leserbrief in Mays Broschüre "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser lautet:

Hochverehrter Herr!
Die Verhandlungen vor der Strafkammer des Großherzoglichen Landgerichts zu Freiburg i. Br. Gegen die Schüler G. und V. wegen Brandstiftung haben Ausfälle gegen Ihre berühmten Schriften gezeitigt, die uns mit tiefsten Bedauern erfüllen. Der Medizinalrat Dr. Fritschi fühlt sich veranlaßt, zu behaupten, daß der Anlaß ungeeigneter Lektüre wie "gewisse May´scher Bücher" die jungen Leute mit zu den Verirrungen geführt habe, während der Rechtsanwalt Karl Mayer sogar erklärt: scharf zu geißeln sei anläßlich dieses Falles die für kindliche Gemüter verderbliche Lektüre "von der Art der May´schen Erzählungen".
Wenn wir auch annehmen, daß derartige Äußerungen   n u r   i n   d e r   A b s i c h t   g e t h a n   s i n d ,   u m   f ü r   d i e   U e b e l t h ä t e r   d i e   Z u e r k e n n u n g   m i l d e r n d e r   U m s t ä n d e   z u e r w i r k e n ,   so müssen wir doch entschieden Verwahrung dagegen einlegen, daß Ihre Erzählungen zu diesem Zwecke gemißbraucht werden. Wir können uns leider nicht der Ueberzeugung verschließen, daß die Auslassungen der Herren Fritschi und Mayer nur geeignet sind, sehr vielen Ihrer jugendlichen Leser den Idealismus zu rauben und   d a d u r c h   d e r   A l l g e m e i n h e i t   m e h r   z u   s c h a d e n ,   als es je möglich gewesen wäre, den beiden Verurteilten zu nützen, indem der Richter vielleicht annimmt, daß sie sich mildernde Umstände angelesen hätten.
Oder sollte Medizinalrat Fritschi und Rechtsanwalt Mayer ein solches Urteil über Ihre Bücher,   o h n e   d i e s e l b e n   s c h l i e ß l i c h   g a r   g e l e s e n   z u h a b e n ,   aus anderen Gründen abgeben? Dann wären die Herren nur um so tiefer zu bedauern, und möchten wir denselben die Worte Emanuel Geibel's so recht zum eifrigen Studium empfehlen:
"Ein Maulwurf hört in seinem Loch
Ein Lerchenlied erklingen
Und spricht: Wie sinnlos ist es doch,
Zu fliegen und zu singen!"
H. Sch., Buchhändler.

Verfasser[Bearbeiten]

Autoren des Briefes vom 30. Juli 1901 sind der Buchhändler Hermann Schoof und der Gymnasiast Franz May aus Bad Harzburg.


Hintergrund[Bearbeiten]

Am 22. Juli 1901 veröffentlichte Hermann Voget einen Artikel Gymnasiasten auf dem "Kriegspfad". (Karl May als Erzieher.) in der Frankfurter Zeitung. Es ging dabei um einen Prozess vor der Strafkammer Freiburg i. Br. am 20. Juli 1901.

Dort wurden die Schüler Karl Ganzmann und Eugen Vogt wegen Brandstiftung in ihrem Gymnasium und anderer Taten verurteilt.

Der Rechtsanwalt Karl Mayer, der Vogt vertrat, brachte – unter Berufung auf den Sachverständigen, Medizinalrat Dr. Alfred Fritschi – entlastend vor:

die   f ü r   k i n d l i c h e   G e m ü t h e r   v e r d e r b l i c h e   L e k t ü r e   von der Art der  M a y s c h e n   E r z ä h l u n g e n.[1]

Auch in der Streitschrift, die den Leserbrief enthielt, äußerte sich May selbst nochmal (anonym) zu dem Fall:

Jungens, welche von den Eltern verwahrlost waren, saßen auf der Anklagebank. [...] Aber sollte man den Eltern die Schande anthun, dies vor Gericht zu konstatieren? Nein! Woher nun Gründe nehmen? [...] Also – – Unterhaltungsschriften, Leihbibliothek,   "J u g e n d s c h r i f t s t e l l e r"   – – ah! Da ist ja z. B. dieser überall gelesene Karl May! [...] Jetzt war die Ehre der Eltern gerettet. Nach der Ehre Mays wurde aber nicht gefragt! [...]
Welches Recht hat man, jugendliche Verirrungen mit dem Namen Karl May zu bedecken, um die Eltern zu entlasten?[2]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 478 f.
  2. Karl May: "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May". In: Karl Mays Werke, S. 70323 f. (vgl. KMW-VI.1-344, S. 60).

Literatur[Bearbeiten]

Der vollständige Leserbrief wurde in Band 86 der Gesammelten Werke, "Meine dankbaren Leser", veröffentlicht.

Übersicht über die Leserbriefe

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