Liebesfrage (Gedicht)

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Liebesfrage, auch Aennchens Lied, Hast du geseh'n auf grüner Au, O sag, o sag, liebst du vielleicht? oder O sag, liebst du vielleicht? genannt, ist ein frühes Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

"Hast Du geseh'n auf grüner Au
  Sich öffnen leis der Knospe Pracht,
Wenn schimmernd im brillant'nen Thau,
  Im Osten Strahl um Strahl erwacht.
Was mag das für ein Falter sein,
  Der fächelnd um die Haide streicht?
Lieb Röselein, lieb Röselein,
  O sag, o sag, liebst Du vielleicht?"
"Hast Du gehört im grünen Haag
  Der Nachtigall bezaubernd Lied,
Wenn sich zur Rüste neigt der Tag
  Und Licht um Licht im West verglüht?
Was mag das für ein Nestchen sein,
  Um das der kleine Sänger streift?
Lieb Vögelein, lieb Vögelein,
  O sag, o sag, liebst Du vielleicht?"
"Hast Du gefühlt in tiefer Brust
  Des Herzens Klopfen, wenn ein Arm
Sich halb bewußt, halb unbewußt
  Um Dich gelegt so treu, so warm?
Was mag das für ein Auge sein,
  Deß' Blick zu Dir herniedersteigt.
Lieb Herzelein, lieb Herzelein,
  O sag, o sag, liebst Du vielleicht?"[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Karl Mays Gedicht ist der Text zu Nr. 3, Aennchens Lied/Hast du gesehn auf grüner Au/O sag, o sag, liebst du vielleicht?/O sag, liebst du vielleicht?, aus der Posse Die Pantoffelmühle, die möglicherweise bereits 1864 verfasst wurde. Die Komposition ist für Sopran und Pianoforte bestimmt und zum Teil nur skizzenhaft.[2]

In Karl Mays Kolportageroman Der verlorne Sohn (18841886) ist das Gedicht in der 3. Abtheilung im 3. Kapitel Eine Tau-ma zu finden. Hier dichtet es Robert Bertram für Fanny von Hellenbach; es entspinnt sich folgendes Gespräch:

[Fanny:] "Nun, ich wollte ein Lied zum Componiren."
"Darauf besinne ich mich."
"Nur drei Strophen sollte es haben."
"Auch das weiß ich."
"Alle drei sollten ähnlich anfangen und auch einen gleichen Refrain haben. Wissen Sie, das macht sich besser."
"Gewiß. Es ist symmetrischer."
"Ich sagte Ihnen auch, welchen Refrain ich wünschte."
"Und grad das ist mir entfallen!"
"Die Hauptsache, grad die Hauptsache."
"Ich habe mir alle Mühe gegeben, mich zu erinnern."
"Und wirklich vergebens?"
"Hm! Es hat in meinem Gedächtniß ein wenig getagt; aber ich kann nicht behaupten, ob ich mich irre oder nicht. Vielleicht ist mir etwas Falsches eingefallen."
"Nun, wie war der Refrain der drei Strophen?"
"Ich glaube, es war so: Spielst Du vielleicht, schielst Du vielleicht und stiehlst Du vielleicht?"
Da schlug sie die Hände zusammen und sagte im Tone gut gespielter Entrüstung:
"Welch ein Mensch! Einen Refrain auf spielst, schielst und stiehlst. Und das soll ich componiren?"
"Ich glaubte wirklich, es sei so gewesen."
"Was denken Sie! Ich muß Ihrem Gedächtnisse wirklich zu Hilfe kommen. Der Refrain sollte bei allen drei Strophen lauten: Liebst Du vielleicht."
"Richtig, richtig! Ah, und darauf konnte ich mich beim allerbesten Willen nicht wieder besinnen!"
"Unbegreiflich! Auch erbat ich mir das Gedicht so bald wie möglich, mein Herr Hadschi Omanah!"
"Ich sagte zu, in sechs Wochen fertig zu sein."
"Sechs Wochen? Heut, heut wollten Sie mir es geben. Ich komme ja grad deshalb zu Ihnen."
"Das Gedicht wollen Sie?"
"Jawohl."
"Ich denke, Sie kommen, um mich zu einem Spazierritte abzuholen! So kann man sich täuschen!"
"Der Spazierritt sollte die Belohnung für das Gedicht sein. Nun es nicht fertig ist, werden Sie daheim bleiben müssen!"
"O bitte, nicht gar zu streng!"
"Wie denn sonst? Euch Dichter darf man nicht verziehen."
"Nun, so will ich es lieber wagen – – –"
"Was?"
"Ich habe mit ihrem Refrain allerdings einen Versuch gemacht. Ich glaube aber leider, daß er mißlungen ist."
"Sie haben das Gedicht fertig?"
"Ja."
"Wo ist es! Schnell, schnell!"
"Bitte, lassen Sie mich lesen!"
Er zog unter seinen Schreibereien einen Zettel hervor und las:
  "Hast Du geseh'n auf grüner Au [...]
"Sehr schön, sehr schön!« sagte Fanny. »Das ist es ja, was ich mir gewünscht habe. Bitte, weiter!"
Sie nickte ihm aufmunternd zu, und er fuhr fort:
  "Hast Du gehört im grünen Haag [...]
"Prächtig!" rief sie, in die Hände klatschend. "Das war erst die Rose und dann die Nachtigall. Das sind natürlich nur die Analogieen. Nun aber kommt das Richtige."
"Was?"
"Hm! Man kennt Euch Dichter nur zu gut. Erst die letzte Strophe bringt Das, was Ihr eigentlich sagen wollt."
"Nun, was will ich hier sagen?"
"Sagen nicht, sondern fragen."
"Aber was?"
"Liebst Du vielleicht! Was denn anderes! Bitte, spannen Sie mich nicht auf die Folter. Das Gedicht ist sehr gut entworfen, und ich bin sicher, daß die letzte Strophe ebenso meinen Beifall finden wird, wie das Vorhergehende. Also lesen Sie nur immer weiter, Herr Bertram."
Er recitirte, ihrer Aufforderung gemäß, noch die Strophe:
  "Hast Du gefühlt in tiefer Brust [...]
"Ich dachte es mir," bestätigte sie. "Erst die Rose, dann die Nachtigall, und nun das Herz. So mußte es kommen."
"Also sind Sie zufrieden?"
"Hm. Eigentlich nicht."
"Was haben Sie zu tadeln, gnädiges Fräulein?"
"Sie fragen immer: Liebst Du vielleicht?"
"Aber das ist ja die Aufgabe, welche Sie mir ertheilten!"
"Gewiß; aber so streng dürfen Sie sich doch nicht an sie halten: Sie dürfen doch nicht blos fragen, sondern Sie müssen ja auch antworten."[3]

1904 wurde dieses Gedicht (ohne Titel) von Adalbert Fischer in den Sammelband Sonnenstrahlen aus Karl Mays Volksromanen aufgenommen.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 22296–22298 (vgl. KMW-II.17, S. 1885 f.).
  2. Kühne/Lorenz: Karl May und die Musik, S. 170–172, 239 f.
  3. Karl May: Der verlorne Sohn. In: Karl Mays Werke, S. 22294–22298 (vgl. KMW-II.17, S. 1884–1886).

Literatur[Bearbeiten]

  • Max Finke: Karl May und die Musik. In: Karl-May-Jahrbuch 1925, S. 39–63, insb. S. 58 f. (Onlinefassung)
  • Christoph F. Lorenz: Karl Mays "Pantoffelmühle". Posse mit Gesang und Tanz in acht Bildern. In: Hartmut Kühne/Christoph F. Lorenz: Karl May und die Musik. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 1999, S. 222–241, insb. S. 239 f. ISBN 3-7802-0154-2.
  • Wilhelm Vinzenz/Jürgen Wehnert: "Zerissen" - Ein Querschnitt durch Mays frühestes Schaffen. In: Karl-May-Welten IV, Karl-May-Verlag 2013.

Weblinks[Bearbeiten]