Medizinmann

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Der Ausdruck Medizinmann bezeichnet die religiösen Gestalten der Indianer; sie entsprechen in vielen Bereichen den Schamanen.

Blackfoot-Medizinmann

Realität[Bearbeiten]

Hauptfunktion der "Medizinmänner" (die keineswegs immer männlich sind) ist, die Gemeinschaft der Hilfe der Geisterwelt, einschließlich des Großen Geistes (Wakan Tanka in der Sprache der Lakota-Sioux), zu versichern. Dazu begeben sie sich in eine "fremde andere Wirklichkeit", um sich mit den Bewohnern dieser Geisterwelt zu verständigen und Hilfe und/oder Informationen zu erhalten, die von der Gemeinschaft benötigt werden, wenn sie sich in einer bestimmten Krise befindet, in der sie über die eigenen Möglichkeiten gefordert wird.

Die indianische Tradition hat viel gemein mit der weltweiten religiösen Praxis des Schamanismus; viele Erforscher dieses Phänomens glauben, dass die altamerikanischen Kulturen diese kulturelle Eigenschaft wie andere kulturelle Eigenschaften mit den Menschen auf der anderen Seite der Beringstraße teilen.

Das Hinübergehen in die "unterschiedlichen Wirklichkeit" lässt sich in westliche Kategorien auch als Trancezustand bezeichnen. Als Kinder oder Heranwachsende vernehmen bestimmte Personen Zeichen einer Berufung. Durch Vermittlung des momentanen Medizinmannes können sie Hinweise erhalten, ihm assistieren und schließlich eigenständig agieren.

Bestimmte halluzinogene Substanzen können dabei unter Umständen mitwirken. Trommeln und andere sensorische Botschaften können auch zur Ekstase dienen, oder, vom Standpunkt des Medizinmannes, zur Reise in die Geisterwelt.

In vielen Gemeinschaften wird das Amt des Medizinmannes vom Vater auf dem Sohn vererbt. Vieles deutet darauf hin, dass die frühesten Schamanen Frauen gewesen waren.

bei Karl May[Bearbeiten]

Somit hatten alle drei Häuptlinge sich einverstanden erklärt, und es galt nur noch, den Medizinmann zu befragen. Medizin bedeutet nämlich bei den Indianern nicht Arznei, sondern Zauber, der Medizinmann ist also der Zauberer, der Priester. Er hat einen großen Einfluß auf alles Einzelne und Allgemeine; besonders wichtig ist aber seine Zustimmung, wenn es sich um einen Kriegszug handelt. Sagt er voraus, daß der Zug verunglücken werde, so wird dieser sicherlich nicht unternommen.
Der Mann hatte alle Insignien seiner Würde bei sich, wunderbar geformte Skalpe, Beutel, Haarschöpfe, Stäbe und Fähnchen. Er hüllte sich in die frische Haut eines der getödteten Büffel, legte die Zeichen seiner Würde an und begann nun einen Tanz, der um so ungeheuerlicher und grotesker aussah, als er von den düstern Feuern beschienen wurde, welche tiefe Schatten in die dunkle Ebene hinaus zeichneten.
Die Indianer sahen mit ernster Andacht zu und wurden nicht ungeduldig, obgleich der Tanz eine ziemliche Weile in Anspruch nahm. Endlich hielt der Zauberer in seinen Bewegungen inne, nahm zwei Feuerbrände und beobachtete die Richtung des Rauches; dann warf er einen forschenden Blick zu den Sternen empor und verkündete dann mit lauter Stimme: [...][1]

Der Medizinmann hat hier die Funktion, die Medizinen für die Medizinbeutel zu präparieren, die Medizintänze aufzuführen und zu erklären, ob die Reise eine glückliche oder unglückliche sein wird.

Karl Mays Einstellung hatte sich gewandelt. Gleich im einleitenden ersten Kapitel schreibt er über Tatellah-Satah, den größte[n] Medizinmann aller roten Völker[2]:

Er gehörte keinem einzelnen Stamme an. Er wurde von allen roten Völkern und Nationen gleich hoch verehrt. Was Hunderte und Aberhunderte von einzelnen Medizinmännern im Laufe der Zeit an Geistesgaben und Kenntnissen besessen hatten, das sprach man ihm, dem Höchstgestiegenen, in voller Summe zu. Um zu begreifen, was das heißt, muß man wissen, daß es grundfalsch ist, sich einen indianischen "Medizinmann" als einen Kurpfuscher, Regenmacher und Gaukler vorzustellen. Das Wort Medizin hat in dieser Zusammensetzung nicht das Allergeringste mit der Bedeutung zu tun, die es bei uns besitzt. Es ist für die Indianer ein fremder Ausdruck, dessen Sinn sich bei ihnen derart verändert hat, daß wir uns dabei grad das Gegenteil von dem zu denken haben, was wir uns bisher dabei dachten.
Als die Roten die Weißen kennen lernten, sahen, hörten und erfuhren sie gar manches, was ihnen gewaltig imponierte. Am meisten aber erstaunten sie über die Wirkung unserer Arzneimittel, unserer Medizinen. Die Sicherheit und Nachhaltigkeit dieser Wirkung war ihnen schier unbegreiflich. Sie erkannten die unendliche Größe der göttlichen Liebe, welche sich in diesem Geschenke des Himmels an das Geschlecht der Menschen offenbarte. Sie hörten das Wort Medizin zum ersten Male, und sie verbanden mit ihm den Begriff des Wunders, des Segens, der göttlichen Liebe und des für die Menschen unbegreiflichen Geheimwirkens in heiligster Verborgenheit. Kurz, der Ausdruck "Medizin" wurde für sie gleichbedeutend mit dem Worte Mysterium. Sie nahmen die Benennung "Medizin" in alle ihre Sprachen und Dialekte auf. Alles, was mit ihrer Religion, ihrem Glauben und ihrem Forschen nach ewigen Dingen in Beziehung stand, wurde als "Medizin" bezeichnet. Ebenso auch alle diejenigen Tatsachen europäischer Wissenschaft und europäischer Zivilisation, die sie nicht begreifen konnten, weil sie weder die Anfänge noch die Entwickelungen derselben kannten. Sie waren aufrichtig und ehrlich genug, unumwunden zuzugeben, daß die Vorzüge der Bleichgesichter zahlreicher und größer seien als diejenigen der roten Männer. Sie trachteten, den ersteren nachzueifern. Sie nahmen von ihnen vieles Gute, leider aber auch vieles Böse an. Sie waren so kindlich und so naiv, so manches, was bei den Weißen nur auf dem Fuße des Gewöhnlichen oder gar des Niedrigen stand, für ungewöhnlich, für hoch, für heilig zu halten und sich für immer anzueignen, ohne vorher zu prüfen und ohne zu fragen, welche Folgen das bringen werde. So nahmen sie auch das Wort "Medizin" bei sich auf und bezeichneten damit ihr Allerhöchstes und Allerheiligstes, ohne zu wissen, daß sie grad dieses Höchste und Heiligste damit beleidigten und entwürdigten. Denn zu der Zeit, als sie dies taten, hatte der Ausdruck Medizin nicht etwa den guten, ehrenden Klang wie heut. Er besaß den starken Beigeschmack von Hokuspokus, Quacksalberei und Windbeutelei, und als die Indianer in ihrer Unbefangenheit die Träger ihrer allerdings noch bei den Anfängen stehenden Theologie und Wissenschaft als "Medizinmänner" bezeichneten, ahnten sie nicht, daß sie damit den bisherigen guten Ruf dieser Leute für immer vernichteten.
Wie hoch diese letzteren standen, ehe sie Gelegenheit hatten, die "Zivilisation" der Weißen kennen zu lernen, ersehen wir heutigen Tages erst nach und nach, indem wir unsere Forschung tiefer und tiefer in die Vergangenheit der amerikanischen Rasse hinuntersteigen lassen. Diese Vergangenheit zeigt uns zahlreiche Punkte, auf denen die Völker Amerikas auf gleicher Stufe mit den Weißen standen. Alles, was bei jenen Völkern und in jenen Reichen Gutes, Großes und Edles geschah, entsprang jenen geistigen Quellen und den Köpfen jener Männer, welche von ihren Nachkommen später als "Medizinen" und "Medizinmänner" bezeichnet wurden. Hiermit sind Theologen, Politiker, Strategen, Astronomen, Tempelbaumeister, Maler, Bildhauer, Quipu-Entzifferer, Professoren, Aerzte, kurz, alle diejenigen Personen und Stände zusammengefaßt, durch welche die intellektuellen und ethischen Potenzen jener Zeiten sich betätigten. Es gab unter diesen später als "Medizinmänner" bezeichneten Koryphäen genau ebenso berühmte und hochberühmte Namen wie in der Entwicklungsgeschichte der asiatischen und europäischen Rassen, und sie sind nicht für immer, sondern nur für einstweilen verschollen, weil unsere Kenntnis und unser Verständnis noch nicht so weit vorgeschritten ist, jenes geschichtliche Dunkel zu erleuchten. Wenn die Medizinmänner der Gegenwart nicht mehr die Medizinmänner der Vergangenheit sind, so trägt der Indianer gewiß nicht allein die Schuld daran. Die geistige Elite der Inkas, der Tolteken und Azteken, also die "Medizinpflegerschaft" der Peruaner und Mexikaner, stand gewiß nicht auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als die Abenteurer eines Cortez und Pizarro, und wenn diese damalige Höhe sich infolge der spanischen Invasion zur heutigen Tiefe neigte, so daß wir jetzt die Indianer einfach und kurzerhand als "Wilde" bezeichnen, so brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, daß auch ihre Medizinmänner mit herabgekommen sind. Sie waren gezwungen, diesen Niedergang mitzumachen.
Trotzdem aber sind sie noch lange nicht das, wofür wir sie halten. Ich habe noch keinen Weißen kennen gelernt, der von irgend einem Medizinmann in seine Geheimnisse und Anschauungen eingeweiht worden ist oder der wenigstens die Symbolik der betreffenden Gebräuche derart begreift, wie sie begriffen werden muß, ehe man behaupten kann, über sie sprechen oder gar schreiben zu dürfen. Ein wirklicher Medizinmann, der es ernst mit seinem Amte und seiner Würde nimmt, gibt sich nie zu Schaustellungen her. Die sogenannten Medizinmänner der von Zeit zu Zeit hier bei uns herumvagabundierenden Völkerwiesenindianer sind alles andere, aber nur keine wirklichen Medizinmänner, und an ihren Verrenkungen, Sprüngen und sonstigen Possen würde ein solch letzterer gewiß ebensowenig teilnehmen, wie zum Beispiel bei uns ein ernstgesinnter Gottes- oder Weltgelehrter auf den Gedanken kommen könnte, auf einem Jahrmarkt oder Vogelschießen für Geld und öffentlich einen Schuhplattler oder einen Purzelbäumler zu tanzen.
Ich bitte meine Leser, diese Ausführungen ja nicht für langweilig oder gar für überflüssig zu halten. Ich mußte das sagen, denn es gilt, von nun an gerecht zu sein und von den bisherigen Fehlern, die wir in der Psychologie der roten Rasse begingen, endlich einmal abzulassen. Wenn wir in Tatellah-Satah einen jener alten, hochstehenden Medizinmänner der Vergangenheit kennen lernen, die wie Säulen im Bilde eines Tagesscheidens stehen, so war ich als gewissenhafter und wahrheitstreuer Zeichner verpflichtet, den forschenden Blick auf die Betrachtung dieses Gemäldes vorzubereiten.[3]

Tatellah-Satah bewahrt den gesamten kulturellen Schatz der Indianer, den

"Berg der Königsgräber". Bevor die Rasse der Indianer sich in winzige Stämme auflöste, wurde sie nicht von kleinen Häuptlingen, sondern von gewaltigen Kaisern und Königen regiert, die alle auf der mächtigen, hoch über den Wolken liegenden Plattform dieses Berges begraben worden sind. Die Gräber sind von Stein gemauert. Sie bilden zusammen eine Totenstadt mit Straßen und Plätzen, auf denen es keine Spur von Leben und Bewegung gibt. Sie enthalten nicht nur die Leichen der verstorbenen Herrscher, sondern in jeder Gruft liegen, in goldenen Kästen unzerstört erhalten, die Bücher über jedes Jahr der Regierung dessen, der hier seine letzte irdische Wohnung fand. Hier sind also nicht nur alle die großen Herrscher der roten Rasse begraben, sondern ihre ganze Geschichte und sämtliche Berichte und Dokumente ihrer langen, vieltausendjährigen Vergangenheit. Aber man kann nicht zu ihnen gelangen. Man kann nicht hinauf. Als der letzte König begraben worden war, vernichtete man die Felsenstraße, die hinauf zu den Königsgräbern führte, so daß es keinem Sterblichen mehr möglich war, hinauf zu ihnen zu gelangen. Es soll zwar einen steilen Nebenpfad geben, der damals nicht mit vernichtet worden ist, aber niemand hat ihn bisher gefunden. In einem meiner ältesten Bücher steht geschrieben, daß der Schlüssel zu diesem Pfade vorhanden sei, aber er liege hoch oben auf dem "Berg der Medizinen", genau am Fuße der letzten, höchsten Felsennadel, unter einem Steine, der die Gestalt einer halben Kugel habe. Der "junge Adler", auf den die roten Männer schon seit langen, langen Jahren warten, wird, wie auf der Haut des großen Kriegsadlers zu lesen ist, dreimal um den Berg fliegen und bei diesem Steine anhalten, um ihn zu heben und den Schlüssel hervorzunehmen. Ist dies gelungen, so kann der Berg der Königsgräber bestiegen werden, und die Berichte und Dokumente der verschwundenen Urzeiten dürfen ihre Stimmen erheben, um die Geheimnisse unserer Vergangenheit zu enthüllen.[4]

Darüber hinaus bewahrt Tatellah-Satah einen alten Tempel und eine große Bibliothek mit tausenden alten Schriften, Bildern und Karten sowie eine Art Museum mit Stücken, die vor die Zeit der indianischen Hochkulturen zurückreichen.

Eine bedeutende Rolle spielt hier der Medizinmann der Naiini-Comanchen Tibo-taka, der sich aber als weißer Taschenspieler entpuppt.

siehe auch[Bearbeiten]

Indianische Religion

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Waldröschen. In: Karl Mays Werke, S. 11947 f. (vgl. KMW-II.5, S. 1549 f.).
  2. Karl May: Winnetou IV. In: Karl Mays Werke, S. 68596 (vgl. KMW-V.7, S. 401).
  3. Karl May: Winnetou IV. In: Karl Mays Werke, S. 68110–68115 (vgl. KMW-V.7, S. 17–21).
  4. Karl May: Winnetou IV. In: Karl Mays Werke, S. 68823–68825 (vgl. KMW-V.7, S. 579 f.).

Weblinks[Bearbeiten]