Meine lieben Orgelpfeifen (Gedicht)

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Meine lieben Orgelpfeifen ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

Meine lieben Orgelpfeifen
Werden es gewiß begreifen,
Daß ich bei lebendgem Leibe
Ihnen heute auch mit schreibe,
Denn ein Onkel ist verpflichtet,
Ob in Prosa, ob er dichtet,
Seine "plume" mit Freundlichkeit
Zu der schönen Weihnachtszeit
In die "encre" gern zu tauchen,
Sonst kann man ihn nicht gebrauchen!
Es ist nun die Dezemberzeit
Bis Weihnacht öfters gar nicht weit;
Viel weiter ists von Radebeul
Zu Euch selbst bei der größten Eul,
Und dennoch bringt des Reiches Post
Euch heut mit Wonne und mit Lost
Das wohlgelungne Conterfei
Von Euerm alten Onkel May.
Seit "zweiundvierzig" er geboren,
Hat er die Schönheit nicht verloren;
Er ist sogar an vielen Orten
Beinahe hübscher noch geworden;
Das sieht ja, wer es sehen will,
Hier ganz besonders am Profill!
Jedoch, so schön auch sein Portrait
Von ferne und auch in der Näh,
Ich sags Euch allen mit einander:
Sein Herz ist noch viel interessanter,
Denn es wohnt nicht mehr hier in Sachsen,
Wo Eure Erdbeer'n auch schon wachsen;
Es ist schon längst hier weggezogen
Und fort nach Ruppertsberg geflogen,
Nahm kein Retourbillet mit hin
Und ist seitdem mit treuem Sinn
Bei denen, die wir herzlich lieben –
Ich mein' die Pfeifen – stets geblieben.
Laßt Euch dies Herz von Eurem Onkel
Beim Lampenschein und auch im Donkel,
Mags schnein, und mag die Wiese grünen,
Als kleine Weihnachtsgabe dienen.
Und ist dies Herz Euch nicht genug,
So komm ich nächstens mit dem Zug
Von Neustadt-Hardt mit Haut und Haaren
So fünfter Klasse angefahren;
Dann werdet –, ich wills Euch entdecken –
Zu Eurem Wunder und Erschrecken
In Äpfeln und besonders Bernen
Ihr auch den Magen kennen lernen.
Zwar soll man nicht vom Magen reden,
Denn dies beleidigt manchmal Jeden,
Doch ist – vielleicht klingt das viel besser –
Der Onkel ein gewaltger Esser.
Drum, wirds mit dem Besuche richtig,
So backt und kocht und bratet tüchtig,
Und laßt besonders hier auf Erden,
Die Gurken ja recht sauer werden;
Dann stellt er Eurem lieben Haus
Ein gutes Küchenzeugniß aus,
Und welche von den Pfeifen dann
Am delicat'sten kochen kann,
Bekommt als Scepter einen "Quarl"
Von dem entzückten
                                    Onkel
                                        Karl.[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Die Seylerschen "Orgelpfeifen"

Am 22. Dezember 1896 schrieb Karl May einen Brief an Emil Seyler. Diesem Brief fügte er dieses Gedicht für Seylers Töchter hinzu. Außerdem lag dem Brief ein Porträtfoto (Karl May im Frack) bei.[2]

Das Gedicht wurde zu Karl Mays Lebzeiten nicht veröffentlicht.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Maschke: Karl May und Emma Pollmer, S. 232 f.
  2. Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005, S. 543 f. ISBN 978-3-7802-0170-6.