Und siehe, aus der weiten Ferne (Gedicht)

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Und siehe, aus der weiten Ferne ist ein vermutlich von Karl May verfasstes Gedicht.

Text[Bearbeiten]

"Und siehe, aus der weiten Ferne
  Zieht doch das Wetter schon heran;
Es fliehen ahnungsvoll die Sterne
  Und der Passat wird zum Orkan.
Da glühet in dem Wetterleuchten
  Der aufgeregten Wogen Gischt,
Die, als ob sie zum Himmel reichten,
  Sich bäumen, daß es dampft und zischt.
Da hängt die Wolke bis zur Welle,
  Der Himmel bis ins Meer herab;
Da stürzt der Blitz, der tageshelle,
  Sich flammend in das feuchte Grab.
Die Windesbraut, das Steuer höhnend,
  Reißt jäh die Barke mit sich fort.
Gebeugt von ihrer Wucht, stürzt dröhnend
  Der Mast zu Deck und über Bord.
Da höret man der Brandung Brausen;
  Schon glänzet durch die Nacht ihr Schaum –
Ein Stoß – ein Schrei – und Wogen sausen
  Durch Leck und Luken in den Raum.
Da sitzet an dem frühen Morgen
  Das Wrack am öden, fernen Strand,
Da ruhet Alles wohl geborgen
  Tief unten in des Meeres Sand;
Da liegt der Mensch mit seinem Hoffen,
  Mit all' dem Glück, das ihm gelacht,
In seiner besten Kraft getroffen
  Von einer einz'gen Wettersnacht,"[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

in Geographische Predigten.[Bearbeiten]

In Karl Mays früher Aufsatzreihe Geographische Predigten (1875/76) ist das Gedicht im Abschnitt 2. Land und Wasser enthalten und von folgenden Sätzen umgeben:

Ja, es ist wahr, mag das Festland der Gefahren und Abenteuer noch so viele bieten, so ist doch die See das fruchtbarste Feld zur Bewährung des persönlichen Muthes, der Besonnenheit, der Geistesgegenwart, überhaupt der Ueberlegenheit des Geistes über die Materie. Denken wir uns einen Sturm, wie ihn der Dichter beschreibt:
  "Und siehe, aus der weiten Ferne
  [...]
  Da liegt der Mensch mit seinem Hoffen,
    Mit all' dem Glück, das ihm gelacht,
  In seiner besten Kraft getroffen
    Von einer einz'gen Wettersnacht,"
so muß man dem kühnen Manne, welcher sich dem schwachen Baue seiner Hände anvertraut, um sich durch Noth und Tod zum fernen Land zu ringen, wohl Bewunderung zollen. Er kämpft mit der Macht des Sturmes und des Wetters, der Strömungen und Gezeiten und weiß selbst der Barre, dem Maskaret, der Bore oder Pororóca zu entgehen, jener furchtbarem senkrechten Wassermauer, welche unter meilenweit hörbaren Brüllen aus dem Meere in die Mündungen der Ströme tritt und allem Menschenwerk mit augenblicklicher und vollständiger Vernichtung droht. Er segelt mit demselben Muthe unter der Hitze des Aequators, welche die Planken seines Schiffes ausdorret, sodaß der Theer aus allen Fugen läuft, wie in den Breiten des Nordpoles, wo er sich durch die Flarden des gefrorenen Meeres sägt und zwischen Eisbergen schwimmt, deren Größe man schon auf 1500 Millionen Kubikfuß geschätzt hat.[2]

in Der Kiang-lu.[Bearbeiten]

In der Reiseerzählung Der Kiang-lu (1880) wird ein kürzerer Auszug des Poems zitiert:

Die Wogen gingen so schwer, daß sie unter ihrer Wucht das Schiff zu zermalmen drohten; von Minute zu Minute brach eine hohe See über uns her, und der Hauptmast, an dem ich befestigt war, bog sich wie eine Schilf- oder Weidengerte. Das Sturmloch hatte sich verschlossen, und wir befanden uns in vollständiger Nacht, durch deren Finsternis nur der sprühende Schaum der Wogenkämme gespenstig leuchtete. So wütete der Orkan zwei, drei, vier Stunden lang. Ich hatte mich bisher keinem noch so fürchterlichen Prairiebrande, keinem noch so gefährlichen Thiere der Wildnis, keiner noch so drohenden Naturerscheinung gegenüber hilflos gefühlt; jetzt aber durchbebte mich die ganze Erkenntnis menschlicher Schwäche, die uns zu den Füßen des Allmächtigen in den Staub darniederwirft. Ich dachte an jenen Sturm auf dem See Genezareth und an den Hilferuf des gläubig vertrauenden Jüngers: »Herr, hilf uns; wir verderben!« Und ist das Schiff noch so fest und sicher gebaut, klopft in der Brust des Kapitäns ein noch so mutiges und erfahrenes Herz, und thuen die Mannen alle ihre Schuldigkeit, es bleibt doch jedem Augenblick die Macht vorbehalten, das Fahrzeug mit allem darauf wohnenden Leben zu verderben. Und dann –
  "Dann sitzet an dem frühen Morgen
    Das Wrack am öden, fernen Strand;
  Dann ruhet alles, tief geborgen,
    Dort unten in des Meeres Sand;
  Da liegt der Mensch mit seinem Hoffen,
    Mit all dem Glück, das ihm gelacht,
  In seiner besten Kraft getroffen
    Von einer einz'gen Wettersnacht."
Ich hatte noch niemals einen solchen Aufruhr der Elemente erlebt und erwartete alle Sekunden, von meinem Haltpunkte losgerissen und in die kochende See geschleudert zu werden. Eine Regeling um den Bord herum gab es bereits nicht mehr, sie war zerschmettert worden von denjenigen Gegenständen, welche der wütende Sturm von ihren Plätzen gelöst und in das Meer geworfen hatte.[3]

Sonstiges[Bearbeiten]

Hedwig Pauler sieht einen Zusammenhang zwischen diesem Gedicht und Da liegt der Maure unter Palmen.[4]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Geographische Predigten. In: Karl Mays Werke, S. 251 f. (vgl. KMW-I.1.A-29:18, S. 142).
  2. Karl May: Geographische Predigten. In: Karl Mays Werke, S. 251–253 (vgl. KMW-I.1.A-29:18, S. 142).
  3. Karl May: Der Kiang-lu. In: Karl Mays Werke, S. 59810–59812 (vgl. KMW-IV.24, S. 83 f.).
  4. Pauler: Deutscher Herzen Liederkranz, S. 39.

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]