Völkerschau

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Völkerschau bezeichnet eine Zurschaustellung von Angehörigen eines fremden Volkes.

allgemein[Bearbeiten]

Im Rahmen des imperialistischen Bestrebens der europäischen Großmächte kamen Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa die so genannten "Völkerschauen" in Mode. Hier konnten exotische Menschen aus fremden Kulturen im Zoo oder im Zirkus besichtigt werden. In möglichst naturgetreuer Kulisse - manchmal wurden sogar ganze Dörfer oder Basare nachgebaut - sollten die Fremden dann ihr tatsächliches oder vermeintliches Alltagsleben oder spezielle "Kunststücke" vorführen.

Besonders beliebt waren die Indianer- und Wildwest-Shows, so z.B. 1890 in München die von den Zeitgenossen als sensationell empfundene "Buffalo-Bill-Show". Das Publikum drängte aber auch zu den Vorführungen anderer Völkergruppen und begeisterte sich beispielsweise für afrikanische Amazonen, das Elefantenzurichten der Singhalesen oder die Kajakkünste der "Eskimos".

Auch Fachleute wie Ethnologen und Anthropologen besuchten die Vorstellungen regelmäßig und bekamen teilweise sogar Sondervorführungen, um ihr "Material" intensiv studieren zu können.

Einige der Teilnehmer konnten mit Hilfe der Gage oder neu erworbener Kenntnisse zu Hause ihr Glück machen, einige wenige zogen als Völkerschau-Stars jahrelang durch die europäischen Städte.

Völkerschauen in Dresden[Bearbeiten]

Im Juli 1879 waren elf kanadische Indianer im Zoologischen Garten. Im August 1879 folgte eine "nubische Karawane" von Carl Hagenbeck aus Hamburg.

Im August 1883 fand im Zoo eine "Samojeden-Ausstellung" statt.

1885 gastierte "Carl Hagenbeck's Somali-Expedition" in Dresden. Die zum Bericht entstandene Illustration diente später über Umweg Karl May als Inspiration für seinen Text Das Straußenreiten der Somal. Wenig später, im Oktober 1885, erreichten die Carl Hagenbeckschen "Bella-Coola-Indianer aus Nordwestamerika" samt einer großen ethnografischen Ausstellung Dresden.

1886 kamen dann Sioux-Indianer. Engagiert hatte sie Rudolf Cronau. Sie waren zuvor schon in Wien aufgetreten, wo sie den kleinen Ernst Tobis schwer beeindruckt hatten. In Dresden wurde der Aufenthalt der Indianer von ausführlicher Presseberichterstattung begleitet.

Eine "Beduinen-Karawane" gastierte dann im Sommer 1888 im Zoologischen Garten. Initiator dieser Schau war offenbar Ernst Pinkert, der Direktor des Leipziger Zoos.

1890 folgte dann Buffalo Bill's Wild West. 1906 nocheinmal.

Im Sommer 1909 campierte auf der Völkerwiese eine aus London eingereiste "Wild-West-Show" mit Sioux-Indianern und vermutlich dieselbe Truppe war im Januar 1910 nochmal zu Gast. Bei der Truppe dabei war auch der Mohawk-Indianer John Ojijatekha Brant-Sero, der sich wenig später von Rudolf Lebius gegen Karl May einspannen lassen sollte.

Karl May und die Völkerschauen[Bearbeiten]

im Werk[Bearbeiten]

Eine "Völkerwiese" ist Schauplatz des "Straußenreiten der Somal". Bei diesem Text diente die Illustration einer Dresdner Völkerschau von 1885 als Vorbild.

In der ursprünglichen Fassung des Schlusses von "Im Lande des Mahdi" besucht der Ich-Erzähler eine Völkerschau in Paris, wo eine Sudanesenkarawane gastiert und wo er den namenlos gebliebenen "Brillenjüngling" und dessen Frau wiedertrifft. Es wird zwar der Beginn der Vorstellung genannt, aber ansonsten nicht darauf eingegangen.

In Winnetou IV nennt Karl May die bei Völkerschauen auftretenden Indianer "Völkerwiesenindianer"[1].

im Leben[Bearbeiten]

Karl May besuchte vermutlich 1897 in Hamburg eine arabische Völkerschau von Hagenbeck. Alfred Schneider beschrieb den Besuch 1970 so:

Man unternahm gemeinsame Ausflüge, zeigte Mays Hamburg und auch »Hagenbecks Tierpark«, wo als »Völkerschau« eine Arabertruppe zu Gast war. Wieder war es Frau Lisbeth Felber, die darauf drängte: »Da müssen Sie hin, Herr Doktor, vielleicht treffen Sie dort Bekannte!« Karl May war nicht sehr erbaut, gab dem Drängen seiner begeisterten Gastgeberin jedoch schließlich nach. »Nun müssen Sie mit den Leuten sprechen, Herr Doktor, vielleicht sind sogar Leute darunter, die von Kara Ben Nemsi gehört haben!« Verständlicherweise war May zu einem Gespräch mit den Arabern nicht zu bewegen.[2]

Im Karl-May-Jahrbuch 1918 berichtet Klara May vom (undatierten) Besuch der Völkerschau Buffalo Bills in Dresden. May hatte, so berichtet sie, eine Einladung von Buffalo Bill erhalten, wollte aber, da er den Indianerfeind und Büffel-Massen-Schlächter verachtete, nicht hingehen. Auf Klaras Wunsch ging er dann doch mit, und Buffalo Bill empfing die Mays persönlich und führte sie durch die Ausstellung (leider fährt Klara May dann fort, dass May sich mit den Show-Indianern fließend in deren Muttersprache unterhalten habe, was die ganze Story selbst nicht gerade glaubwürdig macht).

Rezeption[Bearbeiten]

Die Romane Karl Mays stellten einen wichtigen Referenzrahmen für Völkerschauen dar. Die populären Werke von Karl May [...] haben die Mentalität ganzer Generationen geprägt.[3]

Die in den Romanen vermittelten Bilder und Stereotypen von "Indianern", Cowboys und "Orientalen" hatten einen starken Einfluss auf die Erwartungen des Publikums. So mussten die vielen unterschiedlichen "Indianer"-Stämme dem einen von Karl May geprägten Klischee entsprechen. An die Stelle kultureller Vielfalt traten einige wenige Stereotypen. Erwartet wurden Pferde, Federschmuck, Gewänder aus Leder mit Fransen verziert, lange Haare, an den Füßen Mokassins.[4] Zurschaustellungen von "Indianer"-Truppen, die diesem Klischee nicht entsprachen, wie beispielsweise die Bella-Coola-Völkerschau von 1885/1886, floppten beim Publikum.[5]

Der Relevanz Karl Mays für die Ausgestaltung und Wahrnehmung einzelner Völkerschauen zeigt sich auch in zeitgenössischen Zeitungsberichten. In diesen gab es öfters Bezugnahmen auf den Autor, dessen Namen bei einer breiten Leserschaft detailreiche und stereotype Bilder vom "Wilden Westen" und dem "Orient" weckte.[6]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Winnetou IV. Freiburg i. Br. 1910, S. 21.
  2. Alfred Schneider: Karl May und seine Hamburger Freunde Karl und Lisbeth Felber. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1970, S. 167
  3. Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. München 2008, S. 88.
  4. Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Frankfurt am Main 2005, S. 141.
  5. Manuel Armbruster: "Völkerschauen" um 1900 in Freiburg i. Br., S. 26.
  6. Manuel Armbruster: "Völkerschauen" um 1900 in Freiburg i. Br., S. 55 f.

Literatur[Bearbeiten]

  • G. Eißenberger: Entführt, verspottet und gestorben – Lateinamerikanische Völkerschauen in deutschen Zoos, Frankfurt/Main, 1996
  • Klaus Hoffmann: Circensische Völkerschauen und exotische Abenteuerliteratur in Dresden. In: Dresdner Hefte, Heft 20/1989, S. 68-76.
  • Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Frankfurt/Main, New York 1989
  • Sylke Kirschnick: Koloniale Szenarien in Zirkus, Panoptikum und Lunapark. In: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.) "... Macht und Anteil an der Weltherrschaft." Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast-Verlag, Münster 2005. ISBN 3-89771-024-2
  • Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde: Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940, Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005
  • Anne Dreesbach: „... alles … was nach Karl May zu einem richtigen Indianer gehört ...“ - Eine kurze Einführung in Geschichte und Inhalt von Völkerausstellungen. In: Fansa, Mamoun: Das Somali-Dorf in Oldenburg 1905 – Eine vergessene Kolonialgeschichte? Oldenburg: Isensee Verlag 2005, S. 39-50
  • Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. München: C.H. Beck 2008
  • Hans-Dieter Steinmetz: Straußenreiten, Sioux & Co. Völkerschau-Gastspiele in Dresden vor 1890. In: Wiener Karl-May-Brief Heft 1/2010
  • Manuel Armbruster: "Völkerschauen" um 1900 in Freiburg i. Br. - Kolonialer Exotismus im historischen Kontextt. Freiburg 2011 (PDF)

Weblinks[Bearbeiten]