Ali Bey

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Werke mit
Ali Bey
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Durch die Wüste
Durchs wilde Kurdistan


Ali Bey ist der weltliche Führer der Dschesidi ("Teufelsanbeter") in Baadri.

[Er war ein] junger Mann von sehr schöner Gestalt. Er war hoch und schlank gewachsen, hatte regelmäßige Gesichtszüge und ein Paar Augen, deren Feuer überraschend war. Er trug eine fein gestickte Hose, ein reiches Jäckchen und einen Turban, unter welchem eine Fülle der prächtigsten Locken hervorquoll.[1]

Ali Bey ist der Sohn Hussein Beys.

In „Durch die Wüste“, dem ersten Band des „Orientzyklus“, befreit Kara Ben Nemsi drei Abgesandte Ali Beys namens Pali, Selek und Melaf, die dem Pascha von Mossul Geschenke und einen Brief überbringen sollten, aber unterwegs von Arabern des Stammes Abu Hammed unter ihrem Scheik Zedar Ben Huli gefangen genommen wurden, um Lösegeld zu erpressen.

Als Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Mohammed Emin etwas später nach Baadri kommen, lernen sie Ali Bey als klugen und umsichtigen Anführer seines Volkes kennen, dem es im Konflikt der Dschesidi mit den Türken — der Pascha von Mossul will die Dschesidi überfallen — mit der Hilfe Kara Ben Nemsis gelingt, die türkischen Truppen in Scheik Adi gefangen zu nehmen, den Makredsch von Mossul, den Hauptverantwortlichen für den Überfall, unschädlich zu machen und den Pascha zu einem Friedensabkommen zu zwingen.

Ali Bey (sitzend) im Mai 1909

Bei dem in Kurdistan spielenden Teil des „Orientzyklus“ — also dem Ende des ersten Bandes „Durch die Wüste“, dem gesamten zweiten Band „Durchs wilde Kurdistan“ und den ersten Seiten des dritten Bandes „Von Bagdad nach Stambul“ — stützt Karl May sich beim geografischen und historischen Rahmen fast ausschließlich auf Austen Henry Layards Werk „Niniveh und seine Ueberreste“. Hier erfährt er, dass bei Layards Besuch in Baadri im Jahr 1846 der Anführer der Jesiden Hussein Bey hieß und erhält auch seine Beschreibung:

Sobald ich mich dem Dorfe näherte, begegnete ich dem Hussein Bey, in dessen Begleitung ich die Priester und die vorzüglichsten Einwohner zu Fuß fand. Der Häuptling war etwa 18 Jahr alt und einer der schönsten jungen Männer, die ich je gesehen habe. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und zart, seine Augen hatten viel Lüstre und unter seinem bunten Turban flossen die langen rabenschwarzen Locken hervor. Ein weiter, weißer Mantel von feinem Gewebe war über sein reiches Jäckchen und seine Roben geworfen.[2]

Nach Layards Schilderung wurde Anfang Oktober 1846 der erste Sohn Hussein Beys geboren und Layard wird die Ehre zuteil, einen Namen für das Kind auszuwählen. Er entscheidet sich für „Ali Bey“, den Namen von Hussein Beys Vater, was allgemeine Zustimmung findet. Ali Bey, Husseins Vater, war der letzte Anführer der freien, also nicht dem Osmanischen Reich untertanen Jesiden. Er wurde 1832 getötet, als mehrere kurdische Stämme unter der Führung derer von Botan unter Beder Khan Bey[3] und derer von Rawanduz[4] unter Mohamed einen aus ihrer Sicht recht erfolgreichen Vernichtungsfeldzug gegen die Jesiden ausführten. Ali Bey wurde gefangen und in Rawanduz gefoltert, um ihn zum Übertritt zum Islam zu zwingen. Als das nicht gelang, wurde er enthauptet. Die Mutter des damals vierjährigen Hussein Bey konnte sich mit ihm in die Berge retten.

Bei den unsicheren Verhältnissen in der Region konnte May mit einer gewissen Berechtigung darauf spekulieren, dass der 1828 geborene Hussein Bey zum Zeitpunkt der Handlung des „Orientzyklus“ nicht mehr lebte und dass der gut dreißigjährige Ali Bey der Anführer der Jesiden geworden war.[5]

In dieser Annahme ging May aber in zweifacher Hinsicht fehl: einerseits wurde Hussein Bey gut fünfzig Jahre alt und starb erst 1879, und andererseits stimmt Layards Aussage nicht, dass Ali Bey der Erstgeborene sei.[6] Vielmehr hatte Ali Bey nicht nur einen jüngeren Bruder namens Badih Bey, sondern auch einen älteren Bruder namens Mirza Bey. Dieser wurde 1879 Nachfolger seines Vaters, während Ali Bey der seinem Bruder untergeordnete religiöse Führer wurde.

Im Jahr 1892 begann Omar Wehbi Pascha, der türkische Gouverneur von Mossul, mit Angriffen auf die Jesiden, woraufhin Mirza Bey mit einer Delegation von etwa 40 hochgestellten Jesiden, darunter seine Brüder Ali Bey und Badih Bey, zum Pascha nach Mossul reiste. Zunächst wurden sie standesgemäß empfangen und beherbergt, aber am nächsten Tag wurde von ihnen, entsprechend einer Vorgabe aus Stambul, unter Androhung von Gewalt die Konversion zum Islam verlangt. Die meisten, darunter Mirza Bey und Badih Bey, beugten sich dem Druck, zumindest dem Anschein nach. Wie schon sein gleichnamiger Großvater blieb dagegen Ali Bey nebst einigen anderen trotz körperlicher Misshandlungen standhaft. Er kam in Haft und wurde erst 1898 auf Druck durch die englische Botschaft freigelassen.

Kurz nach Ali Beys Rückkehr starb Mirza Bey im Jahr 1899 und Ali Bey übernahm seine Funktionen. Er blieb weltlicher und religiöser Führer der Jesiden bis zum Jahr 1912, als er ermordet wurde, obwohl er sich der Gefahr bewusst war und sehr auf seinen Schutz achtete. Er wurde Tag und Nacht bewacht und Besucher kamen nur nach strenger Kontrolle in seine Nähe.

Die genauen Umstände seines Todes wurden nicht aufgeklärt, aber es wird aus unterschiedlichen Quellen übereinstimmend berichtet, dass es für die weltlichen Führer der Jesiden sozusagen die „natürliche Todesart” gewesen sei, von ihrem Nachfolger umgebracht zu werden, damit dieser früher und sicherer an die Macht käme. Besonders verdächtigt wurde Ali Beys eigene Frau, Mayan Khatun, hinter dem Mord zu stecken. Sie konnte gegen die Ansprüche anderer Familienmitglieder (insbesondere eines Neffen Ali Beys, der ebenfalls im Verdacht stand) durchsetzen, dass ihr minderjähriger Sohn Said Bey Nachfolger seines Vaters wurde und sie selbst damit die Zügel in der Hand hatte, bis ihr Sohn das notwendige Alter erreichte.

Anmerkungen

  1. Karl May: Durch die Wüste. Gesammelte Reiseerzählungen, Band 1, Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg 1892, S. 140.
  2. Layard, Henry Austen: Niniveh und seine Ueberreste, Neue wohlfeile Ausgabe, Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1854, S. 145-146.
  3. Beder Khan Bey wird von May in „Durchs wilde Kurdistan“ mehrfach genannt, als „Teufel” und als Mörder der assyrischen Christen.
  4. Die Stadt Rawanduz kommt in Mays Werk des Öfteren vor; von ihm entsprechend der ihm vorliegenden Karte „Rowandiz” genannt.
  5. Kandolf, Franz: Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards (Ein Blick in die Werkstätte eines Schriftstellers). In: Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hsg.): Karl Mays Orientzyklus. Igel Verlag Wissenschaft, Paderborn 1991, ISBN 3-927104-19-1, S. 198.
  6. Layards Aussage dazu ist unmissverständlich. Sie beruht vermutlich auf einem Missverständnis zwischen Hussein Bey und ihm.

Literatur

  • Ainsworth, William Francis: The Assyrian Origin of the Izedis or Yezidis — the so-called "Devil Worshippers". In: Transactions of the Ethnological Society of London. Vol. I. New Series., John Murray, London 1861.
  • Fuccaro, Nelida: Aspects of the social and political history of the Yazidi enclave of Jabal Sinjar (Iraq) under the British mandate, 1919-1932 Durham theses, Durham University, 1994.
  • Guest, John S.: Survival among the Kurds: A History of the Yezidis Routledge, Abingdon-on-Thames 2010.
  • Heard, W. B.: Notes on the Yezidis. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland Vol. 41, London 1911.
  • Mingana, Alphonse: Devil-Worshippers: Their Beliefs and Their Sacred Books In: The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland July 1916, London 1916.
  • Parry, Oswald H.: Six Months in a Syrian Monastery Horace Cox, London 1895.
  • Siouffi, Nicolas: Notice sur la secte des Yézidis In: Journal Asiatique, septième série, tome XX, Société Asiatique, Paris 1882.
  • Wigram, William Ainger & Wigram, Edgar Thomas Ainger: The Cradle of Mankind; Life in Eastern Kurdistan A&C Black Ltd., London 1922.

Informationen zu Figuren in Karl Mays Werken finden Sie auch im Karl May Figurenlexikon.
Die zweite Auflage dieses Werkes finden Sie online auf den Seiten der KMG.