Tschatalsche

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Çatalca ist ein Stadtbezirk der Großstadtgemeinde Istanbul. Er liegt im europäischen Teil Istanbuls und hat gut siebzigtausend Einwohner. Vor der Eingemeindung im Jahr 1984 war Çatalca die Kreisstadt des gleichnamigen Kreises und hatte nur wenige tausend Einwohner.

Geschichte Çatalcas[Bearbeiten]

Thraker, Griechen, Perser, Makedonen[Bearbeiten]

Wegen ihrer Lage auf der Verbindung zwischen Asien und Europa, vor Konstantinopel, hatte die Stadt seit jeher eine große strategische Bedeutung und ihre Existenz ist seit der Bronzezeit belegt. Um 2000 v. Chr. war sie durch Thraker besiedelt.

Vom achten bis zur Mitte des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts erfolgte die griechische Kolonisation Thrakiens. In der schriftlichen Überlieferung taucht Çatalca erstmals unter dem griechischen Namen Ergiske (Ἐργίσκη) auf. Einer Legende nach wurzelt dieser Name in der griechischen Mythologie und ist von Ergiscos, einem Sohn des Poseidon, abgeleitet.

Im Jahre 514 oder 513 v.Chr. hatte Ergiske unter einem Feldzug des Perserkönigs Dareios I. gegen die Skythen zu leiden und geriet in der Folge unter persische Herrschaft. Die Region blieb aber zwischen Persern, Athenern und Spartanern umkämpft. Im Jahr 480 v. Chr. war Ergiske erneut Aufmarschgebiet eines außergewöhnlich großen Heeres — nach Herodot reichte das Wasser des Flusses Melas (Karasu) nicht für die Versorgung des Heeres aus — unter Dareios' Sohn Xerxes I.

Ab etwa 360 v. Chr. gewann Makedonien an Macht, und 341 v. Chr. war Ostthrakien durch König Philipp II erobert worden. Bevor der Sohn Philipps II., der makedonische König Alexander der Große, den Hellespont im Jahr 334 v. Chr. mit einer Armee aus etwa 35.000 Makedonen und Griechen zu Beginn seines Persienfeldzuges überschritt, war Ergiske eine Station auf seinem Weg. In dieser Zeit wurde die Stadt in Metrai (auch Metrae, Metris, Metran oder Metre) umbenannt, angeblich nach einem von Alexanders Generälen namens Ayametris, der je nach Quelle auch „Metris“, „Metraj“, „Metran“ oder „Matrai“ genannt wird. Aus der gleichen Zeit ist aber auch überliefert, dass die Stadt von Griechen „Hanica“ genannt wurde.

Römisches Reich / Byzantinisches Reich[Bearbeiten]

Vom ersten bis zum vierten nachchristlichen Jahrhundert gehörte Metrai zur Provinz Thrakien des Römischen Reiches und befand sich an einem wichtigen geopolitischen Knotenpunkt. Drei bedeutende Militärstraßen, die Via Egnatia, die Via Diagonalis (Militaris) und die Via Traiana, liefen hier zusammen und verbanden Europa mit Kleinasien und dem Nahen Osten.

In spätrömischer Zeit wurde Metrai Suffraganbistum unter der Metropolis Hērakleia.

Nach der Reichsteilung von 395 gehörte die Region zur östlichen Reichshälfte, dem Byzantinischen Reich.

Im Jahr 477 wurde Metrai durch die auf Konstantinopel marschierenden Hunnen unter Attila verwüstet, die dann aber abzogen, ohne die Eroberung Konstantinopels zu versuchen. Als Lehre aus dieser Bedrohung ließ Kaiser Anastasius I. im späten 5. Jahrhundert westlich von Metrai die sogenannte Anastasius-Mauer quer über die Halbinsel errichteten, und auch Metrai erhielt eine Stadtmauer und wurde mit einer Burg geschützt. Reste dieser eineinhalb Jahrtausende alten Bauwerke sind heute noch sichtbar, und die ältesten Teile einiger Gebäude in der Altstadt Çatalcas stammen ebenfalls aus dieser Zeit.

Trotz dieser Verteidigungsanlagen fiel Metrai mindestens noch drei weitere Male in die Hände von Angreifern aus dem Westen: die der vereinigten Awaren und Slawen im Jahr 616, der Bulgaren im Jahr 813 und der Petschenegen im Jahr 1090. Konstantinopel wurde aber jedes Mal erfolgreich verteidigt und die Angreifer mussten sich zurückziehen. Frieden herrschte auch in den übrigen Zeiten fast nie, solange das Byzantinische Reich bestand; die Quellen berichten aber nicht über Metrais Rolle in den zahlreichen Kriegen.

Ab etwa 630 wurde das Byzantinische Reich auch von Südosten her durch Araber und ihre muslimischen Verbündeten bedroht, konnte sich aber noch Jahrhunderte lang behaupten. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts begannen die Türken, Thrakien zu erobern; und Mitte des Jahrhunderts gehörten bereits bedeutende europäische Gebiete zum Osmanischen Reich.

Osmanisches Reich / Türkei[Bearbeiten]

Im Jahr 1371 ergab sich Metrai kampflos den Osmanen unter Sultan Murad I, nachdem die Einwohner des benachbarten Indschigis ihren Widerstand teuer hatten bezahlen müssen. Nach deren Niederlage hatte Murad alle Männer töten und die Frauen und Kinder deportieren lassen.

Aus der frühen osmanischen Zeit ist der Name „Çetince“ überliefert, aus dem sich im Laufe der Zeit das heutige „Çatalca“ gebildet haben soll. In den nächsten Jahrzehnten konzentrierten sich die Türken auf die Ausdehnung ihres Reichs auf weitere europäische Gebiete und das noch immer wehrhafte Konstantinopel blieb unangetastet, aber dennoch kam Ostthrakien und damit Çatalca wegen Bürgerkriegen und Machtkämpfen innerhalb des Osmanischen Reichs weiterhin nicht zur Ruhe. Als der burgundische Ritter Bertrandon de la Broquière 1433 durch das östliche Thrakien zog, beschrieb er das Gebiet zwischen Adrianopel und der Reichshauptstadt Konstantinopel als zwar fruchtbar, aber kaum besiedelt. Es gab nur verarmte Dörfer, die einstmals so prachtvollen und schönen Ansiedlungen waren nun verfallen.

Erst mit der Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453 und mit dem damit einhergehenden Ende des Byzantinischen Reichs war das Osmanische Reich in dieser Region konsolidiert. Damit begann für Çatalca eine relativ ereignislose Zeit, in der es prosperieren konnte, und Mitte des 17. Jahrhunderts gibt der türkische Reiseschriftsteller Evliya Çelebi eine euphorische Beschreibung Çatalcas, in der er die Schönheit und wirtschaftliche Blüte der Stadt schildert.

Im sechsten Russisch-Türkischen Krieg (1768–1774) war Çatalca zwar nicht direkt von Kämpfen betroffen, aber die an mehreren Fronten vorrückenden russischen Truppen und insbesondere die Annexion der Krim durch Russland lösten große Flüchtlingsströme aus, und Çatalca erlebte den Zustrom zahlreicher Krimtataren, Serben, Bulgaren und Griechen, wodurch sich die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung erheblich änderte. Ein deutscher Wissenschaftler, der 1869 die europäische Türkei bereiste, fand Çatalca als angenehmes Städtchen mit einer gemischten Bevölkerung von Türken, Griechen und Bulgaren vor, die 350 Familien zählte. Es gab acht christliche Kirchen und fünf Moscheen, zwei griechische und zwei türkische Schulen. Er schreibt, dass die griechischen Bewohner die Stadt noch „Metres“ nannten. Im Januar 1878 erreichten Kriegshandlungen wieder Çatalca. Im elften Russisch-Türkischen Krieg (1877–1878) wurde es von russischen Truppen besetzt, die auf Istanbul marschierten, aber noch im Januar stimmte Russland auf Druck der übrigen Großmächte einem Waffenstillstand zu und räumte nach dem Friedensvertrag im März seine Stellungen in Çatalca wieder.

Weitgehend zerstört wurde Çatalca in den Balkankriegen 1912/13. Hier fanden im November 1912 die erste und im Februar 1913 die zweite „Schlacht von Çatalca“ statt. Mit dem Ende des ersten Balkankrieges durch den Londoner Vertrag am 30. Mai 1913 verlor das Osmanische Reich seine europäischen Gebiete, und Çatalca wurde bulgarisch. Schon einen Monat später begann Bulgarien den zweiten Balkankrieg. In diesem gewann das Osmanische Reich Ostthrakien zurück. Vor ihrem Abzug aus Çatalca brannten die bulgarischen Truppen bedeutende Teile der Stadt nieder.

Nachdem es im Griechisch-Türkischen Krieg 1919-1922, mit dem Griechenland versuchte, alle Gebiete, in denen Griechen lebten, zu annektieren, in beiden Ländern zu Massakern an Zivilisten der jeweils anderen Ethnie gekommen war, wurde ein Austausch der Bevölkerung beschlossen. Dabei wurden fast zwei Millionen Menschen zwangsumgesiedelt. Da das zuvor überwiegend christliche Çatalca damit den größeren Teil seiner Bevölkerung verloren hatte, wurden hier besonders viele der aus Griechenland deportierten Moslems angesiedelt und die Stadt wurde fast rein muslimisch. Dennoch war noch Ende des 20. Jahrhunderts ein Teil der älteren Bevölkerung Çatalcas griechischsprachig.

bei Karl May[Bearbeiten]

Tschatalsche
im Werk Karl Mays
Weltkarte1911.jpg

Von Bagdad nach Stambul

Reiseroute über Tschatalsche

Tschatalsche, so wie May es nennt, ist die erste europäische Stadt der Reiseroute des Orientzyklus.
Kara Ben Nemsi, Halef, Omar und Osko brechen von Stambul auf. Ihr Ziel ist Adrianopel. Dort hat Barud el Amasat sich bei dem Kaufmann Hulam einquartiert, um ihn auszurauben. Dies soll verhindert und Barud el Amasat gefangen werden.
Sie werden dabei von Isla Ben Maflei und Schafei Ibn Jacub Afarah begleitet.

Den Abschied am andern Morgen von Maflei und Senitza kann ich übergehen. Als die Sonne sich im Osten erhob, hatten wir beinahe schon Tschatalsche erreicht,[1] durch welches die Straße über Indschigis und Wisa nach Adrianopel führt.[2]

Der Weg von Stambul über Tschatalsche, Indschigis, Wisa und Kirkilissar nach Adrianopel geschieht ohne besondere Ereignisse. Seine Beschreibung dient offensichtlich dem Ziel, eine für den Leser nachvollziehbare, zusammenhängende Reiseroute zu schildern.

May hat diesen Ort, wie alle anderen realen Orte in den letzten drei Bänden des Orientzyklus, der „Karte der Balkanländer“ von Friedrich Handtke aus dem Jahr 1878 entnommen.[3] In dieser Karte finden sich zwei Straßen von Konstantinopel nach Adrianopel: Die in der Regel genutzte „Poststraße“ entlang der Südküste am Marmarameer und die eher selten genutze „Bergstraße“ im Landesinneren. Die von May beschriebene Route entspricht der letzteren.

Es ist auffällig, dass May im Orientzyklus eine viele tausend Kilometer lange Reise durch das Osmanische Reich beschreibt, dabei aber das Kernland, die heutige Türkei, auslässt.
Der asiatische Teil wird vom Libanon kommend umschifft und nur in Istanbul berührt.
Der Ritt durch den europäischen Teil der heutigen Türkei von Istanbul bis zur Grenzstadt Edirne wird nur summarisch beschrieben, obwohl er weit über 200 Kilometer lang ist und mehrere Übernachtungen benötigt hätte.[4] Erst ab Adrianopel, also durch Griechenland, Bulgarien, Nordmazedonien, Albanien und Montenegro, wird die Beschreibung dann wieder sehr detailliert, einschließlich der Übernachtungen.

In den ersten Ausgaben dieser Reiseabenteuer findet sich die Schreibweise Tschatalsche, die nicht der Karte entnommen wurde. Dort wird der Name Tschataldscha geschrieben, was die vorherrschende Schreibweise ist. Daneben findet sich seltener Tschataldsche, was — im Gegensatz zu Mays Tschatalsche — eine korrekte Wiedergabe des damals mit arabischen Lettern geschriebenen Çatalca ist. In späteren Ausgaben wurde die Schreibweise Tschatalsche durch Tschataldscha ersetzt.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Hier setzt May die Reisegeschwindigkeit etwas zu hoch an. Üblicherweise hätte es sich um eine Tagesreise gehandelt.
  2. Karl May: Stambul. In: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild, 9. Jahrgang 1882/1883, Nr. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 392.
  3. Handtke, Friedrich: Generalkarte der Balkanhalbinsel. C. Flemming, Glogau 1878. (Inventar-Nr. KK041 in Karl Mays Bibliothek)
    Schönbach, Ralf: „Zu einem guten Kartenleser gehört schon Etwas...“. Die Quellen der Balkan-Romane Karl Mays. In: Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hrsg.): Karl Mays Orientzyklus. Karl-May-Studien Band 1. Igel Verlag Paderborn 1991, S. 202–218. (Onlinefassung)
  4. Zu dieser Zeit wird die Wegedauer mit fünf bis sechs Tagesreisen im Sommer und acht bis neun Tagesreisen im Winter angegeben.

Weblinks[Bearbeiten]