Kris

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Kris (in der Literatur auch als Kriz, Griz, Gritz, Keriz, Koriz oder Kariz zu finden) ist ein ehemaliges Dorf, jetzt Ortsteil der Stadt Degache im Gouvernorat Tozeur in Tunesien.
Degache liegt am Nordrand des Chott el Djerid und hat knapp achttausend Einwohner.

Nicht verwechselt werden darf das hier behandelte frühere Dorf Kriz mit der Ortschaft Kriz el Mahassen, die rund sechs Kilometer nordöstlich von Degache liegt.[1]

Die Oasenregion am Nordwestrand des Chott el Djerid ist uraltes Siedlungsgebiet. In weitem Umkreis finden sich zahlreiche Überreste antiker Bauwerke und römische Inschriften. In dieser Umgebung lag die von Plinius dem Älteren erwähnte und in der Tabula Peutingeriana dargestellte freie Stadt Thiges [2] (Tichase bei Ptolemäus). Wenn es um die Lokalisierung Thiges' geht, wird von den Fachleuten meist Kriz genannt. In neueren Forschungen mehren sich aber die Zweifel daran, und Thiges wird einige Kilometer weiter nördlich vermutet, jenseits des Dschebel Tarfaoui am Oued el Melah (früher Wadi Tarfaoui), das seit jeher eine wichtige Verkehrsachse bildete.

Im neunzehnten Jahrhundert und mit Sicherheit auch vorher bildete Kriz zusammen mit fünf weiteren Dörfern, Degache, Zaouiat-el-Arab, Oulad-Madjed, Zourgan und Seddada, die große, von außen meist als Einheit betrachtete Oase El-Oudian. El-Oudian entspricht also der heutigen Stadt Degache, in der sich die anderen fünf Ortsnamen heute noch als Ortsteile finden lassen.

Kriz selbst wird als ein auf einem Hügel mitten im Palmenwald gelegenes großes Dorf beschrieben. Seine Häuser waren aus luftgetrockneten Lehmziegeln und Dächern aus Palmenholz gebaut, die ästhetisch ansprechend, aber wenig haltbar waren. Obwohl eine große Zahl der Häuser halb verfallen war, war es einer der bedeutenderen Orte von El-Oudian. Seine Angelegenheiten wurden von fünf Scheikhs geregelt, von denen einer die Funktion des Khalifa (Oberhaupts) hatte.[3]

El-Oudian insgesamt hatte nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen vier- und sechstausend Einwohner, die von einer florierenden Landwirtschaft lebten. Es gab weit über 100.000 Dattelpalmen, davon rund 8.000 von der für den Export wichtigen Sorte Deglet Nour. Das von etlichen zehntausend Olivenbäumen gelieferte Öl war das renommierteste der Regentschaft Tunis; und ebenso berühmt waren die Orangen von hier. Daneben gab es noch viele weitere Obstsorten und Feldfrüchte.

Die dafür nötige Bewässerung wurde von mehreren Quellen ermöglicht. Die Quellen waren wie alle der Region relativ warm, nämlich 28° C; nur eine Quelle bei Kriz war noch um einige Grad wärmer. Die gerechte Verteilung des Wassers war dabei ein wichtiges Thema. Sie wurde nach von alters her überlieferten Regeln mittels kleiner Gräben bewerkstelligt, die nach einem Zeitplan zu öffnende oder zu verschließende Durchlässe hatten. Diese Regeln und selbst die Technik der Zeitmessung waren von ihrer ersten, recht detaillierten Beschreibung durch den Geografen El-Bekri im 11. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert unverändert. Obwohl keine größeren Streitigkeiten auftraten, führten kleine Rivalitäten doch zu einer Bildung von zwei Lagern innerhalb der Oase; die Einwohner von Kriz gehörten zusammen mit denen von Seddada und Zourgan zu einer Fraktion.

Als einzige Sehenswürdigkeit Kriz' wird im 18. und im 19. Jahrhundert die Höhle der Sieben Schläfer (R'ar Sebaa Rgoud, auch R'ar Ehl el Kahaf, d. h. Höhle der Leute der Höhle) genannt. Der lokalen Tradition nach handelte es sich um die Höhle der in der 18. Sure des Korans erwähnten Gefährten der Höhle. Der Koran greift hier die christliche Heiligenlegende der Sieben Schläfer von Ephesus aus dem 5. Jahrhundert auf. Es gibt zahlreiche „Höhlen der Sieben Schläfer“ beziehungweise „Höhlen der Gefährten der Höhle“ im islamischen Raum; über einigen wurden Moscheen errichtet. In den Kommentaren zum Koran wird die Höhle von Kriz im Gegensatz zu anderen Höhlen nicht erwähnt, was der Grund dafür sein mag, dass keine aktuelleren Informationen mehr über sie zu finden sind.

bei Karl May[Bearbeiten]

Kris
im Werk Karl Mays
Weltkarte1911.jpg

Durch die Wüste

Orientzyklus: Reiseroute über Kris

Kris wird auf der ersten Seite des ersten Bandes des „Orientzyklus“, „Durch die Wüste“, genannt, als Kara Ben Nemsi die geplante Route durch den Süden Tunesiens beschreibt. Er beabsichtigt, mit seinem Diener Halef, den er zu diesem Zeitpunkt schon fast als Freund ansieht, über den Schott Dscherid nach Kbilli zu gehen. In Kris wollen sie einen Freund Halefs treffen, den Merasig-Beduinen Sadek, damit er ihnen als Führer über den Schott Dscherid dient. Auf dem Weg dorthin finden sie im Wadi Tarfaui die Leiche des ermordeten Paul Galingré und stoßen kurz darauf auf die Mörder, auf Hamd el Amasat und seinen Gefährten. Sie lassen die beiden aber laufen und setzen ihren Weg fort. Unterwegs treffen sie auf die Spur der beiden Mörder, die denselben Weg wie sie haben:

Halef war nachdenklich geworden.
„Sihdi, soll ich dir etwas sagen?“ meinte er.
„Sage es!“
„Es ist doch gut, wenn man im Sande lesen kann.“
„Es freut mich, daß du zur Erkenntnis kommst. Doch, da ist Kris. Wo ist die Wohnung Deines Freundes Sadek?“
„Folge mir!“
Er ritt um den Ort, der aus einigen unter Palmen liegenden Zelten und Hütten bestand, herum bis zu einer Gruppe von Mandelbäumen, in deren Schutze eine breite, niedere Hütte lag, aus der bei unserem Anblick ein Araber trat und meinem kleinen Halef freudig entgegeneilte.
„Sadek, mein Bruder, du Liebling der Kalifen!“
„Halef, mein Freund, du Gesegneter des Propheten!“
[4]

Bei der Beschreibung des ersten Abschnitts der Orientzyklus-Reise, vom Dschebel Aures bis nach Kbilli, stützt May sich auf die Karte „Das Algerisch-Tunesische Schott-Becken“ aus der Zeitschrift „Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik“.[5] Alle geografischen Namen stimmen einschließlich der Schreibweise mit dieser Karte überein. Auch der Geburtsort Sadeks, Mui Hamed, findet sich in dieser Karte, zusammen mit dem Hinweis, dass er im Gebiet des Stammes der Merasig liegt.

Nicht sehr realistisch ist dagegen das Bild, das Mays Leser von Kriz bekommen. Keineswegs bestand es aus „einigen […] Zelten und Hütten“, sondern aus festen Häusern und war eines der bedeutenderen von sechs Dörfern einer Oase von vier- bis sechstausend Einwohnern, muss also rund tausend Einwohner gehabt haben, eher noch mehr. Von einigen Reisenden wird es als Stadt bezeichnet.

Kris ist der Wohnort dreier Figuren des „Orientzyklus“: Sadek, dessen Sohn Omar Ben Sadek sowie Arfan Rakedihm, deren Feind und Konkurrent als Führer über den Schott Dscherid.

Literatur[Bearbeiten]

  • Bakrī, ʻAbd Allāh ibn ʻAbd al-ʻAzīz Abū ʻUbayd al- (El-Bekri): Description de l'Afrique septentrionale. Ins Französische übersetzt durch William MacGuckin de Slane, Imprimerie Impériale, Paris 1859
  • Berbrugger, Adrien: Itinéraires archéologiques en Tunisie. IIe et dernière partie. In: Revue Africaine, Journal des travaux de la Société Historique Algérienne 3e année n° 13 octobre 1858, Bastide, Alger 1858
  • Chavanne, Josef: Die Sahara oder Von Oase zu Oase. A. Hartleben's Verlag, Wien/Pest/Leipzig 1879.
    Inventar-Nr. KM0683 in Karl Mays Bibliothek
  • Chavanne, Joseph: Das algerisch-tunesische Binnenmeer. In: Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. II. Jahrgang Heft 6, A. Hartleben, Wien/Pest/Leipzig 1880.
  • Duveyrier, Henri: Sahara algérien et tunisien. Journal de route de Henri Duveyrier, publié et annoté par Ch. Maunoir et H. Schirmer Augustin Challamel, Paris 1905
  • Guérin, Victor: Voyage archéologique dans la régence de Tunis, tome premier Henri Plon, Paris 1862
  • Berbrugger, Adrien (Übersetzer): Voyages dans le sud de l'Algérie et des états barbaresques de Louest et de l'est par El-Aïachi et Moula-Ahmed Imprimerie Royale, Paris 1846.
  • Pellissier de Reynaud, Edmond: Description de la Régence de Tunis In: Exploration scientifique de l'Algérie pendant les années 1840, 1841, 1842 XVI, Imprimerie Impériale, Paris 1853
  • Reclus, Élisée: Nouvelle géographie universelle. Bd. 11: L'Afrique septentrionale. Hachette et Cie., Paris 1886
  • Trousset, Pol: Recherches sur le limes tripolitanus du Chott El-Djerid à la frontière tuniso-libyenne. Éditions du Centre National de la Recherche Scientifique, Paris 1974
  • von Maltzan, Heinrich Freiherr: Reise in den Regentschaften Tunis und Tripoli. Zweiter Band Dyk'sche Buchhandlung, Leipzig 1870.
  • Zaccone, Pierre: Notes sur la Régence de Tunis Ch. Tanera, Paris 1875

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Alle Reisebeschreibungen und alle Karten, die das Dorf Kriz darstellen (nicht zuletzt eine höchst genaue topografische Karte des französischen Militärs aus dem Jahr 1941), stimmen zweifelsfrei darin überein, dass es westlich von Seddada innerhalb der Oase lag, die die heutige Stadt Degache bildet. Auch geonames.org zeigt einen Ort Kriz an dieser Stelle an.
  2. oppidum liberum Tigense
  3. Zaccone: Notes sur la Régence de Tunis S. 229
  4. Karl May: Durch Wüste und Harem. Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg 1892, S. 38.
  5. Das Algerisch-Tunesische Schott-Becken nach Capt. Roudaire's Aufnahmen.
    Inventar-Nr. KK002a in Karl Mays Bibliothek.
    entnommen aus: Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. II. Jahrgang, Heft 6 A. Hartleben, Wien/Pest/Leipzig 1880.